Ich liege in Orpheus‘ Armen

SonjaUrbanek

von SonjaUrbanek

Story

Nein, ich liege natürlich nicht in Orpheus‘ Armen. Ich bin ja nicht Eurydike; und auch jene Schülerin, aus deren Feder diese Formulierung stammt, wollte mir nicht sagen, dass sie einen wahren Adonis oder eben Orpheus zum Liebhaber hat, sondern dass sie ganz einfach gut schläft. Hierfür wäre allerdings Morpheus, ein griechischer Gott der Träume, zuständig gewesen.

Das nächtliche Treiben vieler Österreicher, die anderes tun als schlafen, war einer weiteren, ebenfalls etwas älteren Schülerin zuwider. Es herrschten „Sodom und Camorra“, klagte sie. „Gomorrha“ wäre die zweite biblische Stadt der Sittenlosigkeit gewesen. Die neapolitanische Mafia kann nichts dafür.

Woran es liegt, dass viele ältere Semester, die nach Beendigung ihrer Erwerbstätigkeit an unserer Bildungsanstalt erneut die Schulbank drücken, ein bisschen frömmeln, kann ich nicht sagen. Es ist ja auch nichts dagegen einzuwenden. Meist sind es entzückende Leute, die gebannt an meinen Lippen hängen und im Gegensatz zu den Halbwüchsigen immer aufmerksam sind.

So erklärte mir ein älterer Herr, wer das geistliche Leben wähle, müsse sich vor Verführung hüten. Die Vorsichtsmaßnahme: „Wenn Deine Augen eine Frau erblicken, schlage sie nieder!“ scheint mir aber doch übertrieben zu sein.

Es werde, so prophezeite ein anderer, „ein schlimmes Ende nehmen“, wenn die Jungen auf Coronapartys gingen, statt zu Hause zu bleiben. Dann käme es unweigerlich zur Katastrophe. „Bei Philippa sehen wir uns wieder!“, drohte er.

Für diese Formulierung war wohl die Noch-(?)-Gattin eines bekannten österreichischen Zahntechnikers Pate gestanden. Die antike Stadt Philippi war weniger attraktiv. Wenn schon ein schlimmes Ende, dann bitte wenigstens als Augenweide! So viel muss sein!

Um solche Kassandrarufe scheren sich die Jungen da nicht. „Swingerclubs erfreuen sich immer größerer Population.“, vernahm ich mit Staunen. (Immerhin war der Verfasser dieser Worte bereits volljährig.) Dass besagte Clubs wie die Schwammerln aus dem Boden schießen, glaube ich aber nicht.

Wer jung ist, geht mit der Zeit. Da wird gegendert, was das Zeug hält, und auch vor „Führungskräft*innen“ macht niemand Halt.

Wobei die Herren da meist nicht unglücklich sind. Die launige Bemerkung eines Schülers, er „hätte gar nichts dagegen, wenn sich einmal eine Installateuse unter seiner Abwasch rekeln würde“, bringt es schön auf den Punkt.

In dieselbe Kerbe schlug einst ein Sportler: „Die Emanzipation schreitet unaufhörlich voran. Auch schon im Fußballsport versuchen die Damen, den Herren ebenbrüstig zu sein.“

Es ist aber auch eine wahre Freude, so eine Mittelstürmerin mit wogendem Busen gen Tor brausen zu sehen. Jetzt müsste man die Mädels nur noch in hautenge T-Shirts und kesse Höschen stecken, ähnlich den Beachvolleyball-Ladys vielleicht, und schon würden sich die Damenfußballstadien viel größerer Population erfreuen; und die gesamte Sportart einer immer größer werdenden Popularität.

© SonjaUrbanek 2020-09-12

Hashtags