von Florian Puckmayr
Mit dem Polen tat sich meine Mutter schwer. Er gehorchte schlecht. Alleine bei der Arbeit, er verrichtete nicht viel. Meine Mutter meckerte mit ihm. Am Abend wollte er nicht in seine Kammer. Erst noch Schnaps. Du geben Schnaps!
Ich habe keinen Schnaps.
Meine Mutter fürchtete sich vor ihm, er war wütend, er könnte im Alkohol seine Beherrschung verlieren.
So verging Monat um Monat. Ein Jahr und mehr waren um. Von meinem Vater keine Nachricht. Der Pole entwickelte heimlich seine Aktivitäten. Des Nachts war er oft nicht da. Meine Mutter merkte es.
Du Frau, sagte er, du niemandem was sagen, sonst schlimm für dich! Ich am Tag für dich arbeiten, die Nacht gehören mir. Klar!
Später stellte sich heraus, dass er sich mit Zwangsarbeitern wie er getroffen hatte.
Der Zusammenbruch. Die Sowjetarmee, man hörte die Schüsse von der Front.
Der Pole ist verschwunden. Nicht nur er, auch der Nazibürgermeister, der Nazigemeindearzt und andere Bonzen. Das Dorf und seine Bewohner lagen schutzlos da. Was jetzt?
Eines Tages stürmten an die zwanzig Polen das Haus. Meine Mutter und ihre Kinder sperrten sie in ein Zimmer ein. Mich, ich war noch im Wickelpolster gehüllt, ließ sie zuvor in Angst um mich in den Keller auf den aufgeschütteten Schuttkegel der geernteten Erdäpfel hinuntergleiten. Ich rollte hinunter und blieb am tiefsten Punkt liegen.
Meine Mutter hatte schon gehört, dass die Polen plündernd und raubend durch die Lande ziehen. Jetzt waren sie da. Sie wüteten schrecklich. Meine Mutter hörte sie durch die Wände. Mal im Obergeschoss, wohl beim Schnaps und beim Speck, mal nebenan bei den Kleiderschränken, in der Küche, im Stall, die Tiere schrien.
Es dauerte lange, für meine Mutter wohl eine Ewigkeit. Dann war alles ruhig. Gespenstische Ruhe. Ich weiß nicht mehr, wie sie befreit wurden. Es könnte sein, dass ein Nachbar vorbeikam und sie befreit hatte. Es gab einen Schwager, der ein Motorrad besaß und dank dieser Mobilität häufig bei meiner Mutter nach dem Rechten sah.
Als sich meine Mutter im Hause umsehen konnte, musste sie feststellen, dass so ziemlich alles Brauchbare weggeschleppt war. Mich fand sie wohlauf im Keller auf den Erdäpfeln gebettet wieder.
© Florian Puckmayr 2020-11-18