Ich reise, also bin ich

Brigitte Ammer-Weis

von Brigitte Ammer-Weis

Story

„Wohin geht es dieses Jahr, schon Urlaube gebucht?“ „Nein, noch nicht, man bleibt spontan.“ Alle paar Monate flüstert mir dann ein Stimmchen zu „hey, wollen wir nicht wieder los?“ Wie gerne gebe ich dem Stimmchen jedes Mal nach. Mittlerweile routinierte Vorbereitungen sind getroffen. Die Katzen vom Nachbarn versorgt, Pflanzen fast ertränkt – man weiß ja nie, wie durstig sie werden. Mein 23 Jahre alter und 55x40x35 cm großer Weltenbummler, wird so befüllt, dass er je nach Vorgabe der jeweiligen Fluglinie schlanke acht Kilogramm nicht überschreitet, um mit mir in der Kabine zu sein. Wenn man so gerne und oft unterwegs sein möchte, wie mein rollender Gefährte und ich, meldet sich auch ein anderes Stimmchen, das mit strengem Unterton anfragt „und wie verhält es sich mit deinem ökologischen Fußabdruck?“ „Naja, manche Destination ist mit der Bahn ja zu erreichen, auch wenn die Ticketpreise einen gerade mal nach Salzburg kommen lassen, während man mit einer Billigfluglinie um denselben Preis in derselben Zeit bereits in London sein könnte. Irgendetwas läuft da kalkulatorisch schief. Das Auto verwende ich ohnehin nur für absolut notwendige Fahrten, da der Öffi-Ausbau hier nur mit einem traurigen Auge auf den im 20 Kilometer entfernten Wien blicken kann. Man befindet sich halt doch nur im sogenannten Speckgürtel und wer einen mittelmäßig großen ökologischen Fußabdruck hinterlassen möchte, geht eben zu Fuß, um seinen persönlichen Speckgürtel abzubauen oder um bewusst das gesundheitlich empfohlenen Tagespensum von mindestens 10.000 Schritten zu erreichen“, versuche ich mich jedes Mal zu rechtfertigen. Ob ich will oder nicht, schon am Tag vor der Abreise macht sich Nervosität breit, um ultimativ vor dem Fußweg (natürlich!) zum 2,3 km entfernten Bahnhof weitere drei Male den ohnehin schon abgeschalteten Herd oder die abgeschlossene Haustüre zu überprüfen. Leider eine Angewohnheit, die meine Söhne von mir sozusagen in die Wiege mitbekommen haben, wie sie mir mit einem verschmitzten und leicht vorwurfsvollen Lächeln immer wieder mitteilen. On the road again – die Anspannung fällt, die Öffis sind pünktlich, ebenso wie meine, wie immer, überpünktliche Ankunft auf dem Flughafen. Das persönliche Reisefeeling genießen, aber auch das der anderen beobachten, bis es zum Boarding geht. Einzig beim Landen streckt sich die rechte Hand automatisch gegen die Rückenlehne des Vordersitzes, als ob sie eine unvorhergesehene Bremsung damit abfedern möchte. Endlich, die gewünschte Unterkunftsdestination erreicht – wenn möglich ohne App, sondern mit Stadtplan und ganz viel Durchfragen – old school eben. Erste Kontaktaufnahmen sind nicht nur interessant oder lustig oder fordern die, für die jeweilige Reise, erworbene Sprachkompetenz ein- und umzusetzen. Nein, sie geben ein wunderbares Bild ab, wie man sich als Tourist präsentiert und dementsprechend empfangen wird. Die Vorfreude auf das Entdecken von Neuem ist groß. Düfte, Stimmungen einsaugen, wissen, dass man sich wieder unsägliche Male verirren wird und diese „Verirrungen“ tatsächlich neue Sichtweisen auf das gesuchte Ziel werfen, weil aus einer anderen Perspektive wieder „neu“ gefunden. Nein, es ist nicht der Demenz geschuldet, sondern einer unaufhörlichen Neugier, was sich hinter der nächsten Ecke verbirgt. Dem Reisetagebuch werden alle Eindrücke und Erlebnisse mitgeteilt und das Duracellfrauchen ist wieder unterwegs. Mit mindestens 25.000 Schritten pro Tag – freiwillig, für den persönlichen und auch ökologischen Fußabdruck.

© Brigitte Ammer-Weis 2025-04-16

Genres
Reise
Stimmung
Unbeschwert, Reflektierend