Ich sehe dich

„Oel ngati kameie“ – „ich sehe dich“ – der berühmte Satz aus dem Film Avatar, der aufgrund seiner Bedeutung so tief berührt. Denn es geht nicht allein um das visuelle „gesehen werden“, sondern vielmehr darum den anderen auf einer tieferen Ebene zu fühlen, zu erkennen und zu verstehen. Mir ist dieser Satz vor kurzem „raus gerutscht“, nicht raus gerutscht, weil ich ihn nicht sagen wollte. Ich spürte diesen Satz mit seiner Bedeutung so tief in mir, sodass ich nicht anders konnte, als die Worte wahrhaftig aus dem Herzen auszusprechen.

Gemeinsam mit meiner besten Freundin verbrachte ich kürzlich ein paar nette Stunden an der alten Donau und wir kehrten wie gewohnt in unser Lieblingslokal am Wasser ein. Man muss dazu sagen, es handelt sich um ein sehr beliebtes Lokal, das gut besucht ist und dem Personal kaum Verschnaufpausen gibt. Wir genossen unser Abendessen, tiefe wunderschöne Gespräche und die gemeinsame Zeit. Auch freuten wir uns über das freundliche Personal, vor allem der junge Lehrling begeisterte uns mit seiner fröhlichen, motivierten und positiven Art.

Als er gerade mit einem vollen Tablett auf dem Weg hinein war, hörte ich, wie eine Kollegin hinter ihm die Worte: „Schneller, du musst schneller sein“ sprach – und das nicht gerade in einem freundlichen Ton.

Einige Minuten später, als der junge Mann wieder zu unserem Tisch kam und meine Freundin gerade auf der Toilette war, konnte ich nicht anders als ihn auf die vorher beobachtete Situation anzusprechen.

Etwas geknickt berichtete er mir, dass er das Gefühl habe, es nicht richtig machen zu können. In dem fröhlichen Gesicht von zuvor war plötzlich Traurigkeit spürbar und es berührte mich sehr, wie wahrhaftig und echt er sich auch in diesem Moment zeigen konnte. Ich antwortete: „Ich habe dich beobachtet und möchte dir sagen: Du machst alles richtig, bitte mach genauso weiter. Deine Freundlichkeit, deine Begeisterung und deine Motivation sind so spürbar und dafür möchte ich dir meine Wertschätzung aussprechen.“ Und dann plötzlich und mit klopfendem Herzen: „Ich sehe dich.“

Mit klopfendem Herzen. Nicht, weil ich diesen Satz noch nie zuvor ausgesprochen habe. Im Gegenteil. Ich durfte diese Worte schon öfter fühlen und aussprechen. Doch habe ich sie in einer Alltagssituation, „draußen“ schon mal so wahrhaftig zu einem fremden Menschen gesagt? Nein. Ich merkte in diesem Moment, da ist etwas, das ich nicht mehr zurückhalte. Etwas das frei fließen darf aus mir.

Wertschätzung, Ehrlichkeit; Liebe.

Fortsetzung folgt…