Ich war noch nie bei IKEA

Christa Weißmayer

von Christa Weißmayer

Story
Wien

Ja, ich war noch niemals bei IKEA und habe noch keinen einzigen Artikel von diesem schwedischen Möbelhaus gekauft. Obschon ich wahrscheinlich eine der Wenigen war, die, noch bevor die erste Niederlassung in Wien ihre Pforten öffnete, etwas aus ihrem Sortiment besaß. Anita, meine norwegische Brieffreundin, schenkte mir zum Geburtstag zwei pinke Kissenhüllen. Die Farbe gefiel mir besonders gut. Ich wollte mit den auffallenden Polstern unsere Wohnlandschaft etwas aufpeppen. Allerdings gestaltete sich das Finden passender Füllungen dazu schwierig. Die Wäschegeschäfte, die ich Mitte der 1970er Jahre abklapperte, führten keine Innenpolster 50 mal 50 Zentimeter. Das schien kein gebräuchliches Maß in Mitteleuropa zu sein. Ich versuchte sie einfach nur mit Schaumstoffstückchen auszustopfen, doch das Ergebnis war nicht zufriedenstellend. Bald verschwand das hübsche Präsent in einer Lade und wurde irgendwann im Altkleidercontainer entsorgt.

Zweimal im Jahr flatterte der dicke IKEA Katalog in den Postkasten, damals natürlich analog. Ich blätterte gerne drinnen, aber die Lust, skandinavische Möbel und Dekorationsgegenstände zu kaufen, packte mich absolut nicht. Zahlreiche Klagen von Freunden und Bekannten, wie langwierig und nervenaufreibend das Zusammenbauen eines schlichten Kastens sei, wirkten abschreckend auf mich. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mich hier an dieser Stelle als Fan klassischer Einrichtungshäuser zu outen. Die Teile werden angeliefert, starke Männer schleppen Bretter und Werkzeug die Treppen hoch und bauen gekonnte das bestellte Mobiliar auf. Für mich gibt es nichts zu tun, nicht einmal eine läppische Schraube zu suchen. Ich darf entspannt zusehen.

Die Generation meiner Kinder stellt sich furchtlos der Herausforderung, selbst Hand an BILLY und Co zu legen. Den drei Dingen, welche ein Mann in seinem Leben tun muss, sollte man ein viertes hinzufügen: Ein Haus bauen, ein Kind zeugen, einen Baum pflanzen und ein IKEA Regal aufbauen. Diese überlieferte Volksweisheit schließt heute selbstverständlich auch Frauen mit ein. Meine Schwiegertochter schafft eine HEMNES Kommode mit Links. Gestern erhielt ich ein Foto, auf dem meine elfjährige Enkelin ihr neues Regal geschickt zusammenschraubt und die sechsjährige Schwester dabei mit Begeisterung assistiert. Alle Achtung, es schaut perfekt aus.

Ich hege Zweifel an dem abschreckenden Gejammere meiner Bekannten von anno dazumal. Um mit der Jugend Schritt zu halten, wäre es wohl oder übel langsam an der Zeit, Ansichten zu revidieren, meine festgefahrene Meinung zu ändern und mich von der rosa Kissenerfahrung zu lösen. Vielleicht sollte ich den Glaubenssatz „IKEA und ich, wir passen nicht zueinander“, hinterfragen und mich unvoreingenommen auf das Erlebnis IKEA einlassen. Es scheint doch kinderleicht zu sein. Bis vor Kurzem dachte ich, mein Interieur sei IKEA-frei. Da mein Mann nur aus richtig tiefen Tellern essen mag, besorgte unser Sohn welche. Endlich können wir Suppe servieren, ohne dass es überschwappt und die Spagetti rutschen nicht vom Tellerrand. Wir lieben unsere neuen Suppenschüsseln. Nun raten sie mal, was auf der Unterseite der Teller zu lesen ist: Design and Quality IKEA of Sweden.

© Christa Weißmayer 2021-09-20

Genres
Romane & Erzählungen, Biografien
Stimmung
Herausfordernd, Komisch
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