von Sonja M. Winkler
Ich habe Strumpfhosen in allen Farben, uni und gemustert, getupft und gestreift, auch Fishnets, die, als ich noch unterrichtete, mehrmals die Woche ausgeführt wurden. Bunte Strümpfe waren gewissermaßen mein Markenzeichen, und manch eine Schülerin fand meine Marotte nachahmenswert.
Seit ich in Pension bin, trage ich fast nur Hosen, aus gutem Grund. Strümpfe verlangen nach einem Rock, ein Rock bedingt besonderes Schuhwerk, und Schuhe mit Absatz, sei er auch noch so klein, eignen sich lediglich für das Zurücklegen kurzer Wege im städtischen Bereich, in gemächlichem Tempo. Ich aber lege meist lange Wege zurück, streife durch Feld und Flur, und mein Gang wird selten als gemächlich bezeichnet.
Diesen Dienstag schlüpfte ich nicht wie gewohnt in Jeans, sondern entschied mich für einen Rock. Ich bin ein Herbsttyp und mein Kleiderkasten ist ein textiler Blätterwald. Da stapeln sich Leiberl in Rostbraun und Zimt, und passende Strumpfhosen gibt es auch in Hülle und Fülle. Ich wählte eine im satten Orange eines Hokkaido.
Als ich um 18 Uhr die Gürtelbücherei verließ (ich bin eine der Ehrenamtlichen, die dort dienstags mit Flüchtlingen Deutsch lernt), ging ich nicht wie sonst zu Fuß nach Hause, sondern stieg in die U-Bahn und fand mich kurz darauf im Thalia (Wien 3) wieder.
Um 19 Uhr, so las ich, werde Lisz Hirn, ihres Zeichens Philosophin, erwartet. Vielleicht hat sie eine Antwort auf die Frage „Macht Politik böse?”
Ich setzte mich an den Rand des Gestühls, als eine Frau um die 70 unweit von mir Platz nahm. Ihr Blick fiel auf meine orange bestrumpften Beine. Sie lächelte mich an. Es folgte ein anerkennender Kommentar. Dazu gehört Mut, meinte sie. So kamen wir ins Gespräch.
Am Vortag sei sie auch hier gewesen, sagte sie. Manuel Rubey, der fesche Tausendsassa, habe sein neues Buch vorgestellt: „Der will nur spielen“. Vorwiegend junge Frauen hätten es gekauft und seien Schlange gestanden für die Widmung. Sie habe den Schauspieler gar nicht gekannt, sagte sie, aber sie finde ihn sympathisch. Und so spann sich der Faden unseres Gesprächs wie von selbst fort. Ich erwähnte „Falco“, denn seit damals ist ein G’riss um den Schauspieler.
Apropos Film, sagte die Frau. Sie bleibe im Anschluss an die Buchpräsentation im Haus. Ob ich den „Vornamen“ gesehen hätte, mit Caroline Peters. Ich erinnerte mich an die bissige Komödie. Es ging darum, ob man ein Kind heute Adolf taufen darf. Um 20 Uhr, sagte die Frau, gebe es heute die Fortsetzung: „Der Nachname“. So kam es, dass ich eine Kinokarte löste und mich köstlich amüsierte. Und alles nur dank einer Strumpfhose.
Als ich zu später Stunde heimkam und die Haustür aufsperrte, stieß ich mit Frau F. zusammen, die ihren Hund äußerln geführt hatte. Die Lampe im Eingangsbereich brachte das Orange der Strumpfhose noch ein letztes Mal an diesem Tag zum Leuchten. Frau F. beäugte mich erstaunt. Ich hab Sie noch nie mit Rock gesehen, sagte sie, und solchen Strümpfen. Steht Ihnen. Das Farbenspiel.
© Sonja M. Winkler 2022-10-27