von Franz Brunner
Wir haben den Mond umrundet und frech den Mars gekitzelt. Wir haben den GroĂen Wagen nicht auf Anhieb gefunden, dafĂŒr die Sternschnuppen gezĂ€hlt. Wir haben die Nacht durchgetanzt und der aufgehenden Sonne entgegengeblinzelt.
Wie verrĂŒckt haben wir uns am Lagerfeuer gekĂŒsst, nachdem ich mein bescheidenes Repertoire mit der Ukulele abgespult hatte. Du fandest es schön, ich hatte meine Bedenken. Wir sangen furchtbar falsch alte Schlager im Duett, da halfen selbst die teuren Mikrofone nichts.
Wir hielten bei romantischen Filmen HĂ€ndchen und drĂŒckten fest, wenn’s besonders kitschig wurde. Du hattest TrĂ€nen in den Augen, ich Kopfschmerzen, weil ich die TrĂ€nen tapfer unterdrĂŒckte. MĂ€nner eben. Wir schnipselten GemĂŒse und kochten gemeinsam, verkleidet mit originellen SchĂŒrzen aus dem Urlaub. Dazu hörten wir mitgebrachte CD’s von unvergesslichen Reisen.
Ob salud oder cheers, ob jamas oder santĂ©, ob skĂ„l oder ĆŸivjeli, wir genossen die Gastfreundschaft vieler LĂ€nder und im Kreise einzigartiger Menschen. Respekt war uns stets wichtig, voreinander, vor jedem Menschen, vor allen Kulturen und Konfessionen. Ja, wir haben das gut hingekriegt. Doch was jetzt, was kommt da noch?
Die Zeit fĂŒr den Motorrad-FĂŒhrerschein und die spĂ€tpubertĂ€re Harley ist vorbei, die passt ja gar nicht zu uns. AuĂerdem sitzt du nicht gerne am Sozius, da siehst du zu wenig. FĂŒr einen Kite-Surf-Kurs fehlt mittlerweile die Gelenkigkeit, und stĂ€ndig nasse FĂŒĂe zu haben, darauf können wir gerne verzichten.
Die alten Pyramiden warten vergeblich auf unseren Besuch und die NiagarafÀlle sind uns zu laut. Die Delfine schwimmen auch ohne uns und die Wale sollen andere streicheln. Fallschirmspringen sollen die Jungen, wir halten uns an den HÀnden und springen in den See, das ist Aufregung genug.
Auf dem Kilimandscharo tummeln sich zu viele Touristen, wir genieĂen die Ruhe auf dem Hausberg. Teure Weine vom Edelwinzer schmecken auch nicht anders, wir geben uns der QualitĂ€t des soliden Ăsterreichers hin, am Entstehungsort und mit Freunden.
Wir strampeln auf StromfahrrĂ€dern genĂŒsslich durch die Umgebung, von der weiten Welt haben wir genug gesehen. Ob wir Normen, Klischees oder Erwartungen erfĂŒllen, ist uns einerlei, die können uns mal âŠ. daran erinnern. Nichts mehr mĂŒssen und sollen, sondern froh sein, zu dĂŒrfen und zu können. Wir brauchen dem GlĂŒck nicht mehr nachzurennen, es hat uns lĂ€ngst gefunden.
Heute ist heute und morgen ist morgen. Ob’s ein ĂŒbermorgen gibt, wird immer fraglicher. Wir blicken auf die Liste. Fertig, sie ist leer, alle Punkte durchgestrichen und brav erledigt. Fast alles, eine wichtige Kleinigkeit fehlt noch: Es soll ordentlich aufgerĂ€umt sein, bevor uns das Feuer frisst und wir auf ewig in der Urne lungern. Alles soll gesagt, nichts offen sein. Kein Wunsch, keine Klage, keine Sorge. Alle Freuden sollen gelebt und Friede um uns sein. HĂ€ndchen haltend bis zuletzt, mit einem zufriedenen LĂ€cheln, so soll man uns finden und mitlĂ€cheln.
© Franz Brunner 2022-04-19