Ignorant und laut – 2. Teil

Bernd Schulze-Bauer

von Bernd Schulze-Bauer

Story

Eifersucht ist ein widerliches Ding. Ich bin lieber wütend als weinerlich, nur kann man den beiden eigentlich gar keine Schuld geben, so von außen betrachtet, dass sie ihn halt lieber mag, wo er natürlich mitmacht und dann bin ich am Ende nur auf mich selber böse und nicht auf ihn und von sowas kriegt man Magenkrebs. Aber hätt er sie ficken müssen? Ich meine, hätte er SIE ficken müssen? Ich bin halt nicht draußen und jetzt steckt die Vorstellung in meinem Kopfkino fest. Seine Hand auf ihrer Hüfte, ihre Lippen auf seinem Mund, sein Schwanz in ihrer… Fuck, hat keinen Sinn. Unglückliche Menschen werden immer einen Grund finden, sich zu betrüben. Das einzig Kluge wäre, das alles einfach für immer zu vergessen. Aber er hätt sie nicht ficken müssen.

Vergiss es! Vergiss das schöne Mädchen, wenn sie dich nicht küsst. Mehr trinken, weniger leben. Vielleicht sollte ich eine Zeit lang nicht an der Menschheit teilnehmen. Nur so, um meinen Kopf aufzuräumen. Ich bin hier nur ein dummes, eifersüchtiges Kind, mit den Sorgen eines Besseren. Wie soll ich nüchtern klarkommen, wenn ich jetzt schon so unten bin. Man muss das alles irgendwie vergessen können. Das ist wahrscheinlich das Einzige, was wirklich hilft.

Auf der Tanzfläche ist kaum noch was los und von meinem Geld ist nicht mehr viel übrig. Die Kleine von vorhin steht noch an der Bar. Ich könnte ebenso gut nach Hause gehen. Aber er hätt sie nicht ficken müssen.

Im Raucherhof glänzen die Sterne vom tiefblauen, finsteren Himmel und die Leute sind verdächtig ruhig. Der Bass hämmert nach draußen wie Galeerentrommeln. Ich schaue in den Nachthimmel und muss mich wundern, wie es dort so glitzern kann, obwohl es hier unten schon seit Stunden Sterne hagelt. Ich bin wahrscheinlich so tief blau wie der Himmel, und so voll wie der Mond. Nur eigentlich ist das kein Vollmond. Der ist nur ein bisschen mehr als halb. Vielleicht bin ich auch nur halb.

K steht am Aschenbecher und unterhält sich mit dem Mädchen mit den dunklen Locken. Zumindest glaube ich, dass sie es ist. Mein Bauch tut weh und mein Hals kratzt. Ich bin lieber wütend als weinerlich. Ich pack ihn an seinem Kragen und schmeiß ihn um. Wir landen beide auf dem glasscherbigen Boden. L will dazwischengehen, aber M hält ihn zurück. „Lass sie. Das ist gesund“, sagt er. Er hätt sie nicht ficken müssen.

Ich hab auf die Fresse gekriegt. Wahrscheinlich hab ich mir was gebrochen. Nicht in meinem Gesicht oder so – in meinem Stolz. Und vielleicht einen Knöchel.

© Bernd Schulze-Bauer 2022-06-19

Hashtags