II. Working Nine to Five

Daniela Neuwirth

von Daniela Neuwirth

Story

Die Kollegen heben ihre Köpfe, grinsen, sind plötzlich doch wieder ganz auf Ginas Seite. „Klack – Klack – Klack – Klack“, macht einer die Geräusche der Schritte vor, die alle gleich vernehmen werden, wenn die Assistentin wieder in ihr Büro zurück stöckelt, während sein Zeige- und Mittelfinger auf der Tischplatte in ihre Richtung wandern. Außer einer, schmunzeln alle. Sie macht sich auf den Weg zurück in ihr Büro und scheppert mit dem Schlüsselbund in ihrer Hand, um nicht völlig klanglos von der Bühne zu verschwinden.

„Hast Du etwas Besonderes geplant?“, fragt Steffen neugierig. „Ich will jemanden besuchen, bei dem ich mich schon länger nicht gemeldet habe…“, erklärt Gina beiläufig und tippt an ihrem Bericht weiter, den sie heute noch fertig bekommen möchte, weil das Lektorat ausnahmsweise mal besetzt ist und es die Möglichkeit gibt, ein paar Worte persönlich zu plaudern, bevor die Damen und Herrn wieder ins Homeoffice verschwinden. “Außerdem egal wohin, Hauptsache Sylt!”, lacht sie.

Der Freundschaftsring vom Jahreswechsel blinkt am Ringfinger. Die Karat drängen danach, sich wieder zu melden. „Ich hab so viel erlebt inzwischen, er sicher auch.“ Sven ist derjenige, den sie zufällig bei einer Zugfahrt kennengelernt hat und dann bis nach Schweden zu seinen Eltern begleitete. Zu gern wüsste sie ein bisschen mehr über ihn, als bloß, dass er vom Fährhaus ins Arosa auf Sylt in die Direktion gewechselt hat.

Für einen spontanen Anruf hat sie sich zu lange nicht gemeldet, außerdem was würde es bringen. Keiner der beiden könnte sagen, ich komme mal schnell vorbei, so weit – genaugenommen fünf Stunden Zugstrecke – wie sie gerade voneinander entfernt sind. Gina spielt am Ring herum, egal, wie sie in dreht, er funkelt im schräg einfallenden Sonnenlicht und ist fast zu schön, um ihn fürs Tippen auf einer PC-Tastatur zu tragen.

Sie erinnert sich an ihre erste Begegnung, als er sich gegenüber setzte im Zug. „Guten Tag!“ Ein Luftzug, ausgelöst vom schwungvollen Öffnen der Eingangstür zu Redaktions- und Verwaltungsräumen, erfasst ihren Haarschopf von hinten und wirbelt ihre Vorlage aus dem Blickfeld. Die privaten Gedanken sind ebenso weggeblasen, als Ginas Vorgesetzter den Raum betritt. Eigentlich sind sie zusammen so ein gutes Team, dass es sonst auch gar keine anderen Gedanken bräuchte. Sie seufzt. „Arbeit ist nicht alles.“

„Wie meinst Du?“, fragt ihr Mr. Big nach, weil er so tut, als hätte er akustisch ihre Begrüßung nicht verstanden. „Ich liebe meine Arbeit“, wiederholt Gina verständlicher, was ja der ersten Aussage nicht widerspricht. „Ja, tun wir das nicht alle hier?“ Die anderen Redakteure schmunzeln und bejahen dies einer nach dem anderen.

“Na, seht ihr. So fängt doch der Tag gleich bestens an.“ Steffen schraubt mit dem Zeigefinger an seiner Schläfe, dann Gina entgegen, als ihr imposanter Ressortleiter ein paar Schritte entfernt ist, auf dem Weg in sein Büro. Sie rückt das Blatt Papier zurecht und tippt weiter.

© Daniela Neuwirth 2023-03-05

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