von Irene Hülsermann
Eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen ist für Ausländer das Allerwichtigste, denn ohne bekommt man keine Arbeit, nicht mal eine Wohnung. Aber umgekehrt ist es genauso schwierig. Als ich 1985 nach Rom aufbrach, dachte ich: Das kann ja nicht so schwer sein, letztendlich leben wir ja in Europa. Aber da hatte ich falsch gedacht.
Meine Rundreise quer durch Italien endete in Rom, wo ich Sabrina besuchte. Rom war vom ersten Augenblick meine große Liebe und hier wünschte ich zu leben. Sabrina besorgte mir eine Stelle als Au-pair in einem nicht weit von Rom entfernten Dorf. Ich ging nach meiner Ankunft zur „comune“ und ließ mich registrieren. Die Angestellte erklärte, dass jetzt alles klar sei.
Zu meinem Glück hatte ich den „il permesso di soggiorno“ nicht bei mir, als ich nachts vom Süden Roms nach Hause fuhr und von der Polizei angehalten wurde. Nachdem meine Autopapiere kontrolliert waren und ich bereitwillig erzählt hatte, dass ich als Au-pair in einer Familie lebe, erkundigte sich der Polizist, warum ich dann ein deutsches Kennzeichen benutzen würde. Ich erklärte: „Ich habe mich bei der italienischen Botschaft informiert und darf ein Jahr damit fahren.“
Als der Polizist merkte, dass er nichts gegen mich in der Hand hatte, wollte er die Aufenthaltsgenehmigung sehen. Im festen Glauben diese sei in Ordnung, erwiderte ich, dass sie sich im Hause der Familie befände. Daraufhin meinte der Polizist, ich müsse das Auto stehen lassen. „Wie?“, fragte ich, „Nachts um 4 Uhr und wie komme ich die 40 Kilometer nach Hause?“ „Das ist Ihr Problem“, antwortete der Polizist. „Das können Sie nicht machen!“, rief ich entsetzt. Erst jetzt mischte sich der zweite „poliziotto“ ein. Nach einiger Zeit ließen sie mich dann endlich fahren.
Nach einem Jahr wechselte ich zu einer Familie nach Rom. Auf der „questura“, wo ich mich ummelden wollte, erfuhr ich bei einem Gespräch mit einem Deutschen, dass meine erste Anmeldung ungültig sei. Es gäbe für Au-pairs überhaupt keine Möglichkeit eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Alternativ könne ich ein 3-monatiges Touristen-Visum beantragen. „Und danach?“, fragte ich. Er erwiderte: „Dann musst du ein Neues erbitten, aber das ist nicht so einfach.“
Das Touristen-Visum erhielt ich relativ schnell, abgesehen davon, dass ich mich schon in den frühen Morgenstunden in eine unendlich langen Menschenschlange anstellte. Nach stundenlangem Warten benötigte der Angestellte vom Personalausweis Kopien und diese vermochte ich nur im Copy-Shop machen zu lassen. Ergo erneutes Anstehen.
Am Ende lebte ich fast zwei Jahre illegal in Italien. Immer mit der Angst erwischt und des Landes verwiesen zu werden. Schon damals haben EU Bürger in Deutschland ohne Probleme eine 5-jährige Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung erhalten. In Italien dagegen war ein Arbeitsnachweis vorzulegen. Diesen wiederum erlangte man nur, wenn man eine Wohnung hatte und diese wiederum nur, wenn man eine Aufenthaltsgenehmigung besaß.
© Irene Hülsermann 2022-10-05