Im Anfang war das Wort.

Markus Gull

von Markus Gull

Story

„Im Anfang war das Wort …“, so beginnt das Johannes-Evangelium, und aus diesem Beginn entwickelt sich die Schöpfungserzählung des christlichen Glaubens.

Egal woran man glaubt oder nicht – das Wort am Anfang des Erschaffens, ein formulierter Gedanke, eine Idee begegnet uns ständig.

Selbst in unserer Zeit, in der wir so kurz angebunden sind, das Bild schnell und also so mächtig ist und angeblich nur noch das bewegte Bild bewegt, in dieser Zeit ist Visual Storytelling ein hoffnungsstarkes Zauberwort und dennoch nichts so mächtig wie das Wort.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte und wird doch oft erst durch das passende Wort lebendig. Oder durch das unpassende Wort erst passend gemacht. Bild-Text-Schere sagt man auch dazu. Schnipp-schnapp, und schon entsteht eine Geschichte im Kopf.

Ein Wort – tausend Bilder. 
Sogar in den visuell getriebenen Social-Media-Channels kommt kaum ein Bild wirklich ohne ein Wort aus oder muss wenigstens mit einem Emoji gedeutet oder umgedeutet werden. Emojis, die Hieroglyphen an den virtuellen Wänden von heute. Kommunikation als Pyramidenspiel, bei dem am Ende kaum einer gewinnt, aber jede Menge Zeit verliert.

Wenige Wörter, richtig gewählt, erschaffen mit einem Urknall ein komplexes Universum in unserer Phantasie. Ernest Hemingway brauchte dafür ganze sechs Wörter. 
„For sale: 
Baby shoes. 
Never worn.”

Ein Wort sagt mehr als tausend Bilder.

Wenn Du ein Unternehmen gründest: Im Anfang ist das Wort, erst dann der Business-Plan.


Wenn Du Dich um einen Job bewirbst, politisch aktiv bist, Dein Team für etwas gewinnen willst, eine Theatergruppe gründest oder einen Weihnachtsbazar auf die Beine stellst: Zuvor sitzt jemand vor einem leeren Blatt Papier oder vor einem blinkenden Cursor am leuchtenden Bildschirm und schreibt etwas auf. Das erste Wort. Und dieser jemand bist Du. Welche Story schreibst Du?


Martin Luther King Jr. rief: „I have a dream …“ Dahinter steht ein grosser Wert – das friedliche Zusammenleben aller Menschen ohne jeden Unterschied – free at last. 
Das ist Story. Dafür lohnt es sich zu kämpfen, denn reden alleine bringt uns nicht immer weiter.

Selbst der Pazifist Carl von Ossietzky wusste: „Man kann nicht kämpfen, wenn die Hosen voller sind als das Herz.“

Story ist mächtiger als das Schwert.
 Damit können wir andere aufwecken, bewegen, inspirieren – be-geistern. Geist einhauchen.

Geschichten geben uns Orientierung.
 Geschichten sind der Peilton für Sinn. Wir wollen Teil von etwas Sinnvollem sein, von etwas, das größer ist als wir und uns dadurch größer macht – oder das Leben rettet. Viktor Frankl sagte uns: „Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.“

Professor Frankl wurde weltberühmt und welt-bedeutend durch die Begründung der Logotherapie. Logos – der altgriechische Ausdruck für Wort und Rede und vor allem auch für deren Gehalt, den Sinn.


Im Anfang war das Wort. Ist doch ziemlich logo, oder?

Photo: Brandi Redd

© Markus Gull 2019-05-09