Im brasilianischen Kindergarten

Ulrike Sammer

von Ulrike Sammer

Story

Endlich gab es zwei Neuigkeiten, die unser Leben nach der überaus beschwerlichen Anfangszeit in Brasilien wesentlich erleichterten: ein Auto und ein Kindergarten. Der übertragen gekaufte VW-Variant verhalf uns endlich aus der belastenden Isolation der 10 km von der Stadt Santa Maria entfernten Universitätsstadt heraus zu kommen. Endlich konnten wir alles viel einfacher erledigen, unsere Kinder in den Kindergarten bringen und auch verschiedene Reisen machen.

Der Kindergarten war uns ein großes Anliegen um die Kinder schnell zu integrieren und ihnen spielerisch Portugiesisch beizubringen. Nach einigem Suchen und Informieren fanden wir zu unserem Glück einen Kindergarten, in dem eine junge (und sehr liebe) Schwester auch Deutsch sprach. Sie konnte die perfekte Dolmetscherin und Brücke zu den anderen Kindern sein und führte Andrea und Arno sehr behutsam in die Sprache ein. Beide Kinder lernten schließlich besser und schneller Portugiesisch als wir und gaben uns später sogar auf deutsche Fragen brasilianische Antworten.

Die 5-jährige Andrea und der 3-jährige Arno konnten sich erstaunlich schnell in die Gruppe der Kinder integrieren. Sie wurden, noch ehe sie der brasilianischen Sprache halbwegs mächtig waren, in kleine Uniformen gesteckt (wie es in jedem Kindergarten und in jeder Schule üblich war). So wurden sie der brasilianischen Kinderschar einverleibt. Die beiden trugen ihre Schulkleider übrigens sehr gerne, denn auf diese Art wurde es ihnen erleichtert, sich in der neuen Bezugsgruppe zurecht zu finden: alle waren gleich. Schon nach wenigen Wochen lernten unsere Kinder die (ziemlich schwierige) brasilianische Nationalhymne, bastelten Miniausgaben der Staatsflagge und lernten im Paradeschritt marschieren. Das brauchten sie unbedingt, denn die Brasilianer lieben Paraden jeder Art. Jede Institution zeigt vor den applaudierenden Zuschauern, was sie zu bieten hat. Natürlich sind auch alle Beteiligten stolz darauf, dass diese Kinder aus Familien kommen, die sich einen Kindergartenplatz leisten können.

Der erste Eindruck und auch die nachfolgenden Beobachtungen im Kindergarten ließen mich erstaunen: die Kinder sind zwar sehr lebendig und laut, aber von der Aggressivität, die man in Deutschland und Österreich so oft antrifft, war kaum etwas zu merken. Die Erzieher brauchten bei Konflikten nicht einzugreifen. Ich hörte niemals ein lautes oder ärgerliches Wort bei ihnen, sie waren stets ruhig und freundlich und die Kinder dankten es ihnen mit einer beachtlichen, heiteren Friedlichkeit. Irgendetwas muss also hier anders laufen als in Europa, aber was?

Die Brasilianer LIEBEN Kinder und zeigen es ihnen auch in einer Vielzahl herzlicher Zuwendung. Kinder sind ihr Reichtum und jedes einzelne Kleine ist willkommen. Es ist der Stolz seiner Eltern. Sowohl in bessergestellten, als auch in den armen Schichten opfern vor allem die Mütter das Letzte für ihre Sprösslinge. Das Kind ist König!

© Ulrike Sammer 2020-07-23

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