von FrauFabian
Ich bin eine Wippe in einem verlassenen Spielplatz – perfekt austariert, in meiner Mitte schwebend. Kein Gewicht zieht mich auf eine Seite. Ich ruhe ganz in meinem Gleichgewicht und tanze dabei auf der Achse. Nichts ist wichtiger, als die Balance zu halten, fĂŒr alle Ewigkeit.
„Mama, wie spĂ€t ist es?“, flĂŒstert eine Stimme neben mir.
Ich ignoriere sie und schwebe weiter mit meiner Wippe durch Zeit und Raum.
„Sollen wir ein Hörspiel horchen?“, fragt die andere Stimme neben mir.
Nein, denkt die Wippe. Kein Hörspiel, bloĂ kein Hörspiel. Sie wackelt ganz sanft in der kĂŒhlen Morgenbrise.
„Mama“, schon wieder die Stimme von vorhin, „wo sind die Kopfhörer?“
Die Wippe schwankt bedĂ€chtig von einer Seite zur anderen, ohne den Boden zu berĂŒhren.
„Im Regal“, sage ich mit geschlossenen Augen, sehr darauf bedacht mit keiner Seite unten anzukommen.
„Nein, da sind sie nicht!“
„Musst du suchen“, murmle ich und drehe mich langsam weg vom Geschehen.
Die Stimme wird lauter. Sie drĂ€ngt meine Wippe in eine Richtung, in die sie nicht will: „Wo sind meine Muscheln?“ Die Stimme flĂŒstert jetzt nicht mehr, sie stellt Forderungen an mein inneres Gleichgewicht.
„Im Kasten“, sage ich immer noch mit geschlossenen Augen, deute aber mit der Hand hinter mich, was ein Fehler ist. GroĂer Fehler.
„Nein“, beschwert sich die Stimme.
„Sie stehen auf dem Balkon“, meldet sich endlich eine weitere, tiefe Stimme neben mir.
Oh Gott, alles wackelt. Ich will nicht unten aufkommen.
„Warum sagst du dann, sie sind im Kasten?“, fragt die anklagende Stimme.
„HĂ€ttest du sie selbst weggerĂ€umt, wĂŒsstest du wo sie sind“, sage ich und lande mit einem unsanften Knall auf dem Boden der Ferienwohnung.
© FrauFabian 2024-02-09