Im Hier und Jetzt

Sandra Berger

von Sandra Berger

Story

“Some story we must have. Stray words on crumbled paper. A weak signal into the outer space of each other.” (Jeanette Winterson – Gut Symmetries)

Manchmal wird mir die Welt zu groß, ich ziehe mich zurück und muss meine Akkus aufladen. Mein Leben ist mir gerade im letzten Jahr mit Corona wie ein einziges Zimmer, manchmal wie ein Wartezimmer ohne Auskunft vorgekommen. Menschen haben sich verabschiedet, manche wurden von mir verabschiedet. Und das ist okay so, ich habe es wohl endlich akzeptiert, weil ich jetzt darüber schreiben kann. Allerdings ist da immer noch mein Zimmer. Je länger die Pandemie andauert, desto mehr führt es mir mein Leben vor Augen: ein begrenzter Raum, in meinem Kopf hämmert dabei immer diese Illusion von unendlichen Möglichkeiten, von unendlicher Weite. Wenn das alles vorbei ist, dann könnte ich ja…Dann wird der Wunsch nach mehr immer lauter, und dann kommt die Panik. ⠀⠀

Es wird alles irgendwann mal zu viel, dass weiß ich jetzt. Die Erkenntnis, dass ich einfach nur allein sein will mit den wenigen wichtigen Dingen, die wirklich essenziell sind für mein Leben, trifft mich, aber beruhigt mich auch ein bisschen. Mein Leben, das mir manchmal so unwirklich scheint, bekommt eine neue Wendung. Viel zu oft habe ich mich an diesem unwirklichen Außen orientiert, mich innerlich zerrissen gefühlt. Überfordert an den Möglichkeiten des Lebens, oder Möglichkeiten an Beziehungen, die mich dann nur verzweifeln ließen, mich fühlen ließen als wäre ich in diesem Moment zu wenig, nicht gut genug, austauschbar, am Abstellgleis.

Nicht nur einmal habe ich in schlechten Momenten im letzten Jahr Angst, möchte unbedingt mehr schlafen, bin trotzdem unglaublich müde, kann nicht mehr schlafen, stehe viel zu früh auf, schaue unablässig fern, lese zu viel und mit atemberaubenden Tempo, bin unfassbar traurig, habe unstillbaren Hunger, gehe endlich in die Küche. Da liegt mein Kater Diego und schaut mich mit großen Augen an. Er späht aus dem Fenster, als wäre das Außen gerade der spannendste Ort, den er jeden Tag neu entdecken darf.

Abends kuscheln wir uns gemeinsam unter seine Kuscheldecke auf die Couch, ich vergrabe meine Nase in seinem weichen Fell, meine Rast- und Ratlosigkeit wird wieder ganz klein und unbedeutend. Die Welt besteht nun nur aus ihm und mir, der Stille in meinem Herzen. Ja, ihm kann ich mir sicher sein in dieser unsicheren Welt. Wenn ich die Tür zum Außen auch nur einen winzigen Spalt aufmachen würde, dann wäre da nichts was mir Angst machen würde, denn ich weiß, da gibt es nur uns und diese tiefe Verbundenheit und Liebe. ⠀⠀

Diegos Welt ist immer auf mich ausgerichtet: Essen, Kuscheleinheiten, Spielzeiten und Spaß. In diesen Momenten haben wir uns, und das ist doch voll okay. Mehr als okay, für das unsichere Hier und Jetzt. Solche Momente mit Diego lassen mich hoffen. Alles wird gut, und etwas heilt in mir. Endlich.

© Sandra Berger 2021-03-21

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