Im Labyrinth

thewritingcat

von thewritingcat

Story
im Leben jeder Person, die unter sozialem Ausschluss leidet.

Du weißt nicht mehr, auf welchem Weg du hergekommen bist. Nur eines steht fest: Du hast dich verlaufen und läufst gegen Wände, die noch dazu alle gleich aussehen. „Folge einfach den Hinweisen und wir warten am anderen Ende auf dich!“, haben sie gesagt. Ohne lange zu überlegen hast du diesem Spiel zugestimmt – schließlich wolltest und willst du dazugehören. Es muss doch möglich sein, diese Probe zu bestehen! Du kannst doch gar nicht zu dämlich sein, um es in ihre Mitte zu schaffen, oder? Als du dieses Labyrinth voller Spiegelungen, Trugbilder und Schatten betreten hast, warst du noch zuversichtlich. Ich werde einfach endlich mal alles richtig machen! Doch langsam schwinden deine Hoffnung und deine Kräfte. Diesen verzerrten Spiegel da, der dich nebenbei viel kleiner aussehen lässt, hast du sicher schon 50-mal gesehen. Und diese Mauer, beschrieben mit einem Hinweis, zu deiner Rechten übrigens auch. Was habe ich jetzt schon wieder falsch gemacht? Genauso wie du seit einer gefühlten Ewigkeit im Kreis läufst, kreisen auch deine Gedanken nur um ein Thema. Du willst respektiert werden, akzeptiert werden, ankommen. Notfalls auch nur ein Jemand sein und kein Niemand. Dein Weg auf die „Gewinnerseite“ führt durch dieses Wirrwarr von Versprechungen und enttäuschten Erwartungen, wenn deine Mitspieler wieder einmal spontan die Regeln ändern und dich in die Irre führen. Ich ziehe mich doch schon so an wie sie. Versuche, so zu reden wie sie. Mich für ihre Hobbys, Musik und Sportarten zu begeistern, auch wenn diese gar nicht zu mir gehören. Ihren Verhaltensregeln zu folgen und ihre Werte anzunehmen. Sage das, was sie hören wollen. Was muss ich denn noch tun, um endlich nicht mehr der Loser zu sein? Von Minute zu Minute wird der Frust in dir größer, Hunger, Durst, Erschöpfung und Druck auf der Blase machen sich breit. Trotzdem kämpfst du dich voran – von Wand zu Wand, Hinweis zu Hinweis.

Erneut hörst du sie kichern, tuscheln und hin und wieder deinen Namen flüstern. So als würden sie dich anlocken und sich wieder vor dir verstecken. Außer Atem hältst du zwischen zwei Steinwänden inne. Du atmest schwer, blinde Wut steigt in dir hoch. Bevor dein Verstand laut „Stopp!“ schreien kann, beginnen deine Fäuste gegen die Wände zu schlagen. Blackout – dir wird für ein paar endlose Sekunden schwarz vor Augen. Absolute, brutale innere Leere. Ein stechender Schmerz schießt durch deinen Körper, Schmerz, den du dir gerade selbst zugefügt hast. Du fluchst laut, hörst wieder das hämische Kichern und Tuscheln. Wie in einem schlechten Horrorfilm. Verschwindet und seid endlich still! Stille, keine Stimmen, keine Zerrbilder, keine falschen Versprechungen. Der überwältigende Schmerz erinnert dich daran, dass du nie so sein wolltest. Nicht so wütend, nicht so verzweifelt, nicht so abhängig von Menschen, die unfair spielen. Vor dir entdeckst du wieder einen Hinweis. Du atmest durch, schüttelst entschieden den Kopf. Nein, Ich steige aus. Dann tastest du dich zum Eingang zurück, läufst um das Labyrinth herum und merkst erst jetzt, wie klein und eng es eigentlich ist. Ob es ihnen gefällt oder nicht: You will survive.




© thewritingcat 2024-01-19

Genres
Lebenshilfe, Biografien
Stimmung
Herausfordernd, Dunkel, Emotional, Reflektierend, Angespannt
Hashtags