Im leeren Ozean

N Raoul

von N Raoul

Story

Das Leben ist eine einstudierte Operette, kein Spiel, nur Trauer und Wahn, Verwirrung pur, von dir, es fehlt jede Spur. Ich dachte, du hast es schon, aber jemand anderes ist da, das gleiche Gesicht, aber das bist einfach nicht du. Ich vermisse dich, wo bist du? Warum ist dir alles so egal?

Millionen Gedanken, aber nur ein Kopf, aber keinen umgesetzt. Millionen Gefühle, aber nur ein Herz, aber nichts gefühlt. Millionen Sätze, aber nur ein Wort. Und du hast es nicht gesagt. Leben in der Bevölkerung: Einer von vielen, aber du bist gerade hier.

Hier spielt Musik in den unpassendsten Situationen und lässt alles unwirklich erscheinen, aber wir wissen, es war nie real. In der Nähe des Sees will jemand die Welt retten, am nächsten Morgen gibt er alles auf – und sich auch. In der nächsten Stunde erwartet jemand den Frieden und kriegt wieder nur Krieg. Im nächsten Moment will jemand Liebe, kriegt aber nur Hass. Nur Hass für ein weiches, naives Herz, das millionenfach sekündlich bricht. Wie ein Wolkenschleier der heimlich einbricht.

Oh, Welt, schenk mir einen Zauberspruch. Bring mich hier raus. Bring mich irgendwo hin, wo es ist wie es war. Schenk mir Fülle. Schenk mir etwas mehr Berührbarkeit. Schenk mir mehr Authentizität in dieser leeren Welt, wo Menschen Menschen bleiben und sich nicht gegenseitig fressen. Mach es so, wie es war. Lass mich nicht leiden. Bin in diesem verträumten Wahn, alleine im Ozean. Flieg vorbei, flieg einfach vorbei.

Sei frei – aber lass mich nicht allein. Sei nicht wie sie. Lüge mich nicht an. Lüge mich diesmal nicht an.

Korrupt und Korrupter, politisch unmotiviert. Keiner zu sehen, keiner zu hören. Kopfhörer an. Will niemanden verstehen. Will es vergessen, doch ich kann es nicht erklären? Ich will es auch nicht. Seifenblasen überqueren meinen Weg, verirre mich in dieser einfachen, normalen Straße. Stoße an die Vase, und sie zerbricht –in tausend Teile. Glassplitter, auf die ich trete, aber mittlerweile ist es mir egal.

Verwirrt, allein, mir fällt er raus, der goldene Zahn. Verträumt im Ozean, in der Mitte des tiefen Meers. Hellblaue Perlen unter meinem Boot. Kann ich das nur sehen? Wie sie schimmern? Kann ich das nur verstehen? Wie das entsteht? Sonnenstich am Hals –wie ein Vampir, der mir das Blut aussaugt.

Verschwommen und verblendet, allein und roh. Sie sagen: „Sei doch froh.“ Froh ĂĽber das, was dir passiert, SĂĽĂźe.“ Sei doch froh, ist halt einfach so. Das geht vorbei sowieso.“ Ich und du, du und ich, reden unter Rosen, sehen uns nur, wenn Halbmond ist, bis du es vergisst und du wieder lĂĽgst, mich betrĂĽgst.

Verstrickung der Gesellschaft: Leben alle unter Wasser, leben hier nicht, und sagen dir: „Du sollst dich ändern“. WofĂĽr? FĂĽr nichts. Sie wissen es selber nicht, sie wussten es nie, und reden auf dich ein, als wärst du untergestellt.

Aber vielleicht weißt du das bereits. Vielleicht denke ich zu viel. Bist so unpünktlich wie die Bahn. Warte unter dem goldenen Halbmond. Bin im verträumten Wahn. Nachts, wie immer alleine. Im leeren Ozean.

© N Raoul 2025-06-02

Genres
Anthologien