von Ronja Post
Er wartete. Zehn Sekunden. Zwanzig Sekunden. Nichts passierte. Damit hatte er nicht gerechnet. Innerlich hatte er sich darauf vorbereitet, dass Heike ihm die Tür öffnete. Vielleicht sogar ihr Mann. Aber was jetzt?
Ratlos starrte er die weiße Tür an. Er klingelte nochmal. Vielleicht hatte Heike sein erstes Klingeln nicht gehört. Doch wieder passierte nichts. Entmutigt stand er auf der „Welcome Home“-Türmatte und starrte seine Füße an. Mit hängenden Schultern ging er zurück Richtung Auto, als er auf halbem Weg Stimmen aus dem Garten vernahm. Er blieb stehen und lauschte. Doch auf die Entfernung konnte er nichts verstehen. Vorsichtig schlich er zurück in den Vorgarten mit dem penibel gestutzten Rasen. Hinter der Hausecke blieb er stehen und versuchte etwas zu verstehen. Doch es war immer noch zu leise. Es war aber deutlich eine Männerstimme und eine Frauenstimme zu hören. Er musste noch näher dran. Er war sich ganz sicher, dass es Heike und Robert waren. Hoffentlich hatte noch keiner der Nachbarn ihn gesehen, wie er ums Haus schlich. Er würde einen höchst verdächtigen Eindruck erwecken.
Leise ging er weiter und duckte sich hinter einem Strauch. Er kniete sich auf den Rasen und lugte zwischen den Blättern hindurch. Viel erkennen konnte er allerdings nicht. Dafür war der Winkel nicht optimal und der Strauch zu stark bewachsen. Lediglich die Lehne eines Stuhls und ein Hinterkopf waren zu sehen.
„Wie lange willst du denn noch damit warten. Irgendwann musst du es ihm doch sagen“, sagte die männliche Stimme eindringlich. Offenbar musste er in dem Gartenstuhl sitzen.
„Ich weiß. Du hast da ja auch recht. Aber es nicht so einfach. Stell dir mal vor, dass du ihn meiner Situation wärst.“ Das war ganz eindeutig Heike.
„Ja, aber du zögerst es nun schon so lange heraus. Es wird schließlich nicht leichter. Und auch für mich wäre es eine Erleichterung.“
Heike seufzte und schwieg einen Moment.
„Ja gut. Ich mache es. Aber ich habe ihn gestern Abend so vor den Kopf gestoßen. Ich glaube, er wird jetzt ziemlich sauer auf mich sein. Und wenn ich dann noch damit um die Ecke komme,… Das kann ich nicht verlangen. Er wird sich nur benutzt fühlen.“
„Heike, bitte. Tu es für mich. Ich will doch nur, dass du glücklich bist.“
Marlon versuchte seine steife Position zu ändern, um doch noch etwas sehen zu können. Ein lautes Knacken ertönte. „So ein Mist“, fluchte er. Er hatte einen Ast durchgebrochen.
„Was war das? Hast du das gehört?“
„Bestimmt nur ein Vogel in dem Strauch. Ich werde mal nachsehen.“
Auf allen Vieren, um bloß nicht aufstehen zu müssen, ergriff er die Flucht.
„Marlon? Bist du das?“
© Ronja Post 2021-05-25