von SK Auctor
Wahllos stocherte ich im Abendessen herum und nahm nur unterschwellig das Gespräch meiner Eltern wahr. In Gedanken war ich woanders. Als jedoch mein Name fiel, wechselte ich sofort in den Zustand der aufmerksamen Tochter. Die Hände in den Schoß gelegt, sah ich erwartungsvoll zu meiner Mutter auf.
„Warst du heute wieder im Tierheim?“, fragte sie mit ruhiger Stimme.
„Ja, Mutter“, erwiderte ich mit leicht gesenktem Kopf.
„Sehr gut. Vergiss nicht die Gala am Freitag. Das ist ein wichtiger Tag für deinen Vater. Du weißt, was das bedeutet. Das Kleid hab ich dir schon in dein Ankleidezimmer gehangen.“
„Ja, Mutter.“
„Das ist mein gutes Mädchen.“ gab sie mit einem Lächeln zurück, das wohl mütterlich wirken sollte. Doch ich sah die Reißzähne hinter der Fassade. Wenn ich mich nicht von meiner besten Seite zeigte, konnten die Konsequenzen gravierend sein. Trotz des aufkeimenden Widerstands gab ich ein bestätigendes Lächeln zurück und wünschte beiden eine gute Nacht, bevor ich mich schnellstmöglich in mein Zimmer begab. Nach einer schnellen Dusche warf ich mich in bequeme Schlafsachen, setzte mich vor meinen Schminktisch und fing an, mir die Haare zu kämmen. Mein ausdrucksloses Gesicht starrte mir aus dem Spiegel entgegen. In letzter Zeit wurde es zunehmend schwieriger, meine Gedanken und Emotionen unter Kontrolle zu halten, geschweige denn sie mir nicht anmerken zu lassen. Dem musste ich irgendwie entgegenwirken. Mutter und Vater zählten auf mich.
Erbärmlich erklang ein Flüstern hinter mir. Krachend fiel die Bürste zu Boden, als ich erschrocken herumfuhr. War jemand hier? Allein mit der Tischlampe als Lichtquelle konnte ich nichts ausmachen, was tatsächlich darauf schließen ließ. Was ging hier vor sich?
Sieh dich nur an, äußerlich wunderschön, aber im Herzen doch so verlogen. , erklang die Stimme erneut. Klarer und näher als noch zuvor. Ihr Ursprung blieb weiterhin unbekannt. Gänsehaut fing an, sich an meinem ganzen Körper auszubreiten und mein Herz schien aus meiner Brust springen zu wollen. Zum größten Teil war diese Reaktion der Angst vor dem Unbekannten geschuldet. Doch ein winziger Teil bestand in der Angst vor der möglichen Wahrheit in dessen Worten.
Ein sanfter Wind strich mir über die Wange, als würde jemand sie streicheln wollen. Im selben Moment nahm ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung im Spiegel wahr. Und als ich mich diesem wieder zuwandte, sah ich es. Direkt vor mir. Ihr Gesicht neben meinem. Eine exakte Kopie. Das Einzige, was uns unterschied, war das grausame Lächeln auf ihren Lippen.
„Wer bist du?“, fragte ich mit zitternder Stimme, was ihr ein amüsiertes Lachen entlockte.
Alles, was du nicht sein willst.
© SK Auctor 2025-08-24