Im Schlaf

Sina Zwerch

von Sina Zwerch

Story

Du kommst zu mir in der Nacht. Dein schwerer Atem seit Stunden in meinem Ohr, die Distanz zwischen uns eine Kissenbreite, unüberwindbar. Ich liege wach und in meinem leeren Kopf wütet nur ein Gedanke. Dein gehässiger Blick als du mich fragst: „Wie kannst du denken, dass ich wieder mit dir zusammen sein will?”

Ein Ziehen an meiner Bettdecke. Deine Hand hat den Weg zu mir gefunden, zu meinem Fuß, meinem Oberschenkel, zwischen meine Beine. Ein Moment der Bewegung, schläfrige Macht der Gewohnheit? Doch jetzt drehst du deinen ganzen Körper zu mir, rückst nah und dein Haupt findet seinen Platz auf meiner Brust.

Mein Herz rennt, mein Atem stockt, jetzt bloß nicht bewegen, bloß nicht das empfindliche Gleichgewicht stören. Dein Kopf wird schwerer, du weißt auch im Schlaf, dass ich dich auffange, wenn du mich lässt. Nur einen Moment die schweren Tage vergessen, einen Moment die Nähe genießen, nach der ich mich die letzten Monate verzehrt habe.

Dein Bart kitzelt und piekst meine nackte Haut, deine Hand liegt ruhig auf meinem Bauch. Auch sie hat ihren Platz gefunden. Dein Atem wir unruhig, deine Hand, dein Kopf plötzlich weg von mir und ich spüre die Distanz zwischen uns wachsen, sie zieht an mir wie du damals an meinen Haaren. Nur nicht so schön.

Erleichterung. Deine Hand schiebt sich unter meinen Po. Wie können diese Finger nicht dazu gemacht sein, mich zu kneifen? Dein Atem wird wieder gleichmäßig, ich liege auf dem Rücken und mache keinen Mucks. Wie können wir nicht dazu gemacht sein, für immer so zu liegen? Unter meinem Körper spüre ich deine Hand zucken. „Bleib noch ein bisschen hier.” Ein verzweifelter Gedanke jagt den nächsten.

Ich verfluche die aufgehende Sonne, deren schwaches Licht durch die Ritzen zwischen Vorhang und Wand kriecht und den Raum erhellt. Ein letztes Mal spüre ich deine Hand unter mir, ein letztes Mal greifen die Finger unbewusst nach meinem Fleisch, bevor du sie zu dir ziehst und dem Fenster und mir den Rücken kehrst.

Du kommst zu mir in der Nacht, eine sehnsüchtige Illusion und bei Tagesanbruch verblasst.

© Sina Zwerch 2021-04-03

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