I’m walkin‘, yes indeed, I’m talkin’…

Klaus P. Achleitner

von Klaus P. Achleitner

Story

Neulich stieß ich auf einen Online-Artikel über „Promenadologie – der Spaziergang als Wissenschaft“. Es wäre nicht der Mensch, würde er nicht aus wirklich jeder Nebensächlichkeit eine Wissenschaft machen. Also gut, Spazierengehen ist also eine Wissenschaft.

Als unwissentlich perfekt ausgebildeter Promenadologe (siehe „Virus unser! Die österreichische Mutation“) habe ich den Artikel natürlich verschlungen. Die Spaziergangswissenschaft, so stand da, wurde in den 1980er Jahren gegründet, in einer Zeit der ansteigenden Mobilität durch Auto und billige Charterflüge.

„Beim Gehen kann das Gehirn mit den Füßen Schritt halten“, ist die Conclusio. Also je schneller wir uns bewegen, desto weniger nehmen wir die Umwelt wahr. Seit März 2020 erlebt nun das Gehen einen ungeahnten Hype, vor allem mangels sportlicher Aktivitäten aufgrund diverser Lockdowns.

„Man solle“, so wird resümiert, „auch mal bewusst auf Musik beim Gehen verzichten und alles, was einem so begegnet, auf sich einwirken lassen“. Ich werde also beim nächsten Walk bewusst auf das „Hide-and-seek“ der Sonne mit den Wolken achten. Auf das Geschrei der Wildenten. Auf Trümmerl verteilende Hunde. Und ich werde mich über die neueste immobilien-spekulativ zugebaute Seeparzelle ärgern. Unter anderem.

Ich würde ja am liebsten sofort gehen, trotz der sibirischen Kälte. Die Sonne lacht vom azurblauen Himmel, das bisschen Schnee hat die Landschaft in ein Winterwunderland verzaubert. Aber ich bin in Quarantäne, weil positiv getestet. Somit sind die Grenzen meines Grundstücks die Grenzen meiner Möglichkeiten. Ich sitze vor dem PC und theoretisiere über das Gehen.

„Man müsse es aushalten können, wenn mal zehn Minuten lang nichts Spektakuläres passiert. Es sei eine Einladung an den Zufall und den Einfall.“ Der Mann hat ja sowas von recht. Beim oben erwähnten Spaziergang überraschte mich der Zufall in Form einer Eisplatte und das war mir persönlich spektakulär genug. Die Nachwehen spüre ich immer noch.

Das mit den Einfällen stimmt auch. Das Gehirn pendelt beim Gehen von einer Hälfte zur anderen, weil jede Hälfte den gegenüberliegenden Fuß steuert. Eine wiederholende Bewegung, die das Denken nicht ausfüllt und daher Platz für Einfälle lässt. Ich gehe, also denke ich. Ich denke, also gehe ich.

Wo und mit wem man geht, sollte man sich gut überlegen. Zum ungestörten Denken lieber allein. Spaziergänge in der Gruppe im urbanen Bereich (üblicherweise „Demos“ genannt) sollte man derzeit meiden, weil der (Volks)gesundheit eher abträglich. Auch will man sich nicht unbedingt unter Menschen mit zweifelhaften Ansichten über Rechtsstaatlichkeit und Anhänger kruder Verschwörungstheorien mischen.

Der Schlusssatz des Artikels hat etwas Philosophisches: „Man kann die Strecke wiederholen, niemals den Spaziergang. Jeder Spaziergang ist ein Unikat!“ Mir fällt dazu noch ein: Den letzten Gang muss jeder alleine gehen. Der „Jedermann“ weiß ein Lied davon zu singen.

© Klaus P. Achleitner 2021-02-13

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