von Julia Holzapfel
Es war nicht das erste Mal. Das erste Mal erkennt man noch kein Muster. Die Puzzlestücke können noch nicht geordnet werden. Erst wenn etwas immer wieder passiert, fallen die Stücke an ihren Platz und man kann das Bild erkennen. Schon seit einer Weile nimmt es immer mehr Platz ein, wird größer und eindeutiger, sodass ich das Motiv nicht mehr verleugnen kann.
Es tut weh. Egal wie ich es drehe und wende, es tut weh. Vielleicht bin ich einfach nur empfindlich, a little snowflake, wie es so schön im Englischen heißt. Andere würden sich nicht weiter damit befassen und sind vermutlich damit besser dran. Aber ich weiß nicht, wie ich es ignorieren soll…
Ich bin mir ja schon ziemlich sicher, dass mich meine Freunde mögen. Es wäre absurd, sich etwas anderes einzureden. Aber innerhalb von Freundesgruppen gibt es nun mal Leute, die man mehr mag als andere. Und zu diesen Leuten zähle ich halt nicht. Das klingt jetzt vermutlich melodramatisch. Ja, ich weiß, vermutlich auch mit ein Grund, warum ich für die meisten nur zum Zweite-Klasse-Freund tauge. Vielleicht bin ich nicht so witzig wie andere, vielleicht einfach weniger interessant. Woran es auch liegt, dass es so ist, dessen bin ich mir sicher.
Manchmal fühle ich mich, als wäre ich nur Dekoration, vielleicht ein hübsches Bild an der Wand. Von Zeit zu Zeit sicherlich nett anzusehen, es gibt dem Raum einen gewissen Flair. Es ist schön, dass es da ist, aber das ist schon alles. Keiner würde sich daran stören, wenn es nicht da wäre.
Wie ich überhaupt darauf komme, fragt sich vermutlich jeder, der unglücklicherweise auf diesen jämmerlichen Text gestoßen ist. Es fängt damit an, dass man vergessen wird. Man wird nicht bedacht, wenn man nicht gerade zufälligerweise da ist. Es werden Pläne gemacht, in die man nicht eingeplant ist. Man kommt immer zu spät zu einer gerade angefangenen Runde und es wird plötzlich still, wenn man zu einem Gespräch hinzustößt. Einzelfälle, natürlich. Nur nicht für denjenigen, dem das immer wieder passiert. Und dieser jemand bin immer ich.
Vielleicht nicht nur mir, vielleicht geht es auch anderen so? Aber das spendet mir wenig Trost.
Nun wisst ihr, wie es mir geht. Ändert das etwas? Nein, natürlich nicht. Mir ist sehr wohl bewusst, dass ich an meiner eigenen Wahrnehmung und mir selbst arbeiten muss, wenn ich möchte, dass sich etwas ändert. Aber sich selbst und sein Verhalten zu verändern gehört vermutlich zu den schwersten Dingen, an denen sich ein Mensch versuchen kann. Nur eine Sache fällt mir ein, die noch schwieriger ist: sich einzugestehen, dass man selbst derjenige ist, der etwas ändern muss.
© Julia Holzapfel 2021-06-13