Immer tiefer

Leara Thalen

von Leara Thalen

Story

Wieder einmal naht Ostern. Gerade im Frühling verlangen die Gärten der Familie viel Aufmerksamkeit. Die einzige verbliebene Gärtnerin bin ich. Mit Säge, Spaten, Erdbohrer bin ich häufiger anzutreffen als mit dem Kochlöffel.

Natürlich liegen Ostergeschenke bereit. Natürlich bin ich in der Kirche beim Ostergottesdienst. Der Priester, den ich für die unermüdliche Treue zur Kirche bewundere, der trotz Krankheit seinen Dienst versieht, er lässt diesmal kein Fettnäpfchen aus. Kardinal Groer wird ehrfurchtsvoll erwähnt, die nachfolgende Erzählung von einem Vergewaltiger wäre verzichtbar. Ich bin für das Singen mit dem Chor zuständig, ich muss nicht allem, was gesagt wird, Beifall zollen. Auch nicht der Überlieferung, dass Gott seinen Sohn foltern und sterben hat lassen, damit wir gerettet sind (er könnte der Menschheit doch auch so vergeben, wenn er wollte). An Grausamkeit ist das nicht zu überbieten, aber wir haben uns daran gewöhnt. Es waren finstere Zeiten, Hinrichtungen an der Tagesordnung, dass dies der Wille Gottes gewesen wäre, erschließt sich mir aber nicht.

Ostern hat eine starke Botschaft. Auferstehung. Dann stirbt auch noch ein Papst, dem man Anerkennung zollt, weit über alle Grenzen hinweg. Kardinal Schönborn meint, es wäre ein Zeichen, dass er am Fest der Auferstehung gestorben ist, und er nennt ein weiteres Beispiel. Ja, das berührt. Tatsache ist aber: Der Großteil der Päpste ist nicht zu Ostern gestorben. Selektive Wahrnehmung zerstört oft Objektivität. Dass Objektivität Luftschlösser zum Einsturz bringt, ist unangenehm. Wer will sich schon ohne triftigen Grund der Realität stellen, wo doch „positiv denken“ auch dann angesagt ist, wenn die Tatsachen eine andere Sprache sprechen?

Im Fernehen treffe ich auf den Film „Spartacus“, der gleich an zwei Tagen gesendet wird. Ich schaffe es nie, dieses monumentale Spektakel vom Anfang bis zum Schluss durchzuhalten. Es hat Zeiten gegeben, da konnte ich mich einlullen: nur ein Film, alles lange her, die Zeiten damals waren halt anderes, archaisch, finsterste Vergangenheit.

Jetzt berührt es mich immer tiefer, weil ich mir sagen muss: Es hat sich nicht viel geändert. Die einen sind die Herren der Welt, bestimmen über Leben und Tod, die anderen werden ausgebeutet, zugrunde gerichtet, jeder Würde beraubt. Bilder, wie Putin sich bekreuzigt oder Trump sich mit der Bibel in der Hand hinstellt, sie verstören. Wenn Männer wie diese einen Papst würdigen, der für Menschenrechte und gegen die Todesstrafe eingetreten ist, dann ist das an Scheinheiligkeit nicht mehr zu überbieten.

Und es bleibt die Frage, wo Gott bei all dem zu finden ist, warum er dem Menschen so viel Macht gegeben hat, seine Schwestern und Brüder auszulöschen, Tiere zu quälen, die Erde auszubeuten und – vermutlich letztendlich – zu zerstören.

Sie sollen sich eine Residenz auf dem Mars bauen, wenn sie wollen, und hoffentlich bleiben sie dann dort, die Reichen und Mächtigen, die mit dieser Welt nicht genug haben. Welche Bäume werden dort zu Ostern blühen, welche Vögel ihre Lieder singen?

© Leara Thalen 2025-04-24

Genres
Romane & Erzählungen