von JanGroenhain
Kürzlich war in der Zeitung zu lesen, dass das Doping im Alltag zunimmt. Die Einnahme von Aufputschmitteln habe sich in den letzten Jahren bei einzelnen Personengruppen teilweise vervierfacht. Das Repertoire reiche von Energydrinks bis zu als Nahrungsergänzungsmittel getarnte Präparate zur Leistungssteigerung. Um den Belastungen des Alltags Stand zu halten oder einfach, um das Leben zu bewältigen. Anstelle von natürlichen Vitaminen oder Bewegung.
Seit kurzem wird im TV für ein anderes Nahrungsergänzungsmittel geworben. „Mein Motor springt nicht mehr an“ und „der Zug fährt nicht mehr in den Tunnel“ klagt da ein agil gestylter Jungpensionist dem anderen. Dieser weiß natürlich sogleich Rat und empfehlt ganz verheißungsvoll mit den Worten „da hebt die Rakete wieder ab“ ein Schluckpräparat. Woraufhin eine leicht bekleidete Dame erklärt: „So macht’s wieder Spaß mit ihm“. Und sodann ins vorgewärmte Bettchen hüpft. Das Kind vor dem Fernseher fragt irritiert, wo denn hier der Zug fährt.
Bei Raketen dachte ich in meiner Kindheit an die erste Mondlandung. Oder an die Familie Feuerstein, wenn Fred mit Wilma mit seinem fußgetriebenen Sportwagen durch die Gegend düste. Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre liefen im Vorabendprogramm amerikanische Serien. Da das Fernsehen damals noch recht harmlos war, durften wir uns das meistens ansehen. Für mich begeisternd war bei den Feuersteins die Kombination von Neu- und Steinzeit. Dass Dinosaurier und Mammuts als Haustiere gehalten wurden, eine Schildkröte als Rasenmäher fungierte oder ein Specht als Plattenspieler diente ließ mich fasziniert staunen.
Herzig, aber weniger aufregend war da Lassie, die Serie mit der schlauen Colliehündin und deren Heldentaten auf der Farm. Mutig und unerschrocken überwand sie alle Gefahren und trug dazu bei, dass stets das Gute gewann. Nicht unähnlich war es mit Flipper, dem überaus klugen Delphin aus Florida. Auch hier ging es um drohende Gefahren, Menschen in Seenot oder um Verbrecherjagden. Und stets war Flipper der Retter in der Not.
Mein Held jener Tage war jedoch ein anderer. Sein Name war Stanley Beamish aus der Serie „Immer wenn er Pillen nahm“. Stanley war ein schwächlicher, schüchterner junger Mann, der als Tankwart arbeitete. Durch Einnahme einer irrtümlich erfundenen Superpille entwickelte er Selbstbewusstsein und Superkräfte und konnte sogar fliegen. So wurde er vom Geheimdienst für Spezialaufträge angeworben, welche er, auch dank seiner Tollpatschigkeit in kuriosen Situationen, stets bravourös löste.
Im Vorspann zur Sendung hieß es immer: „Stanley, ein zarter und schwacher Gnom. Die Pille machte ihn zum Phantom. Er konnte wie ein Adler fliegen und jeden Bösewicht besiegen“. Da auch ich ein eher schwacher Bursche war und davon träumte, Superkräfte zu haben und fliegen zu können, war er mein Hero.
Bisher bin ich im Leben ohne Superpillen ausgekommen. Aber vielleicht kommt noch die Zeit, wo ich sie brauchen werde.
© JanGroenhain 2022-06-23