In Bischofshofen umsteigen

Gerhard Maier

von Gerhard Maier

Story

Fernweh plagt mich eigentlich immer und ich frage mich, woher ich das habe.

Meine Eltern hatten lange Zeit keine besonderen Ziele, im Ausland fuhren wir an allen Abzweigungen vorbei und landeten immer wieder in Lignano. Bei der Hinfahrt gab es im Kofferraum eingerexte Hausmannskost für die nächsten 14 Tage, bei der Rückfahrt ein paar Textilien, Lederwaren und das Strandspielzeug der Saison.

Ab der Matura konnte ich mich frei bewegen und die Welt erkunden, das einzige Limit setzte das Geldbörsel. Schon immer lockte die Ferne, die verschiedenen Klimazonen mit ihrer Tier- und Pflanzenwelt, die unterschiedlichen Ethnien und ihre Geschichte. Und die Kulinarik.

Woher habe ich das bloß? Ich bin ja kein Adoptivkind. Auch die Kriegsgeneration war nicht weit herumgekommen, nur mein Südtiroler Opa war zwangsweise in Sizilien. Ich habe im weiteren Verwandtenkreis recherchiert und musste dabei weit und tief graben.

Dann taucht einer auf, der Sepp Portenkirchner aus Deantn – Dienten. Er und mein Vater waren Gschwistarad-Kinds-Kinder (Großcousins).

Sepp war als Bergsteiger im Himalaya. Dann war er jahrelang der Trainer von Annemarie Moser-Pröll und hat so die ganze Welt gesehen.

Ihm wird eine fragwürdige Geschichte zugedichtet, für die ich meine Hand nicht ins Feuer legen möchte:

Sepp geht von Deanten nach Mühlbach am Hochkönig, weil er nach Peking fahren will. Er steigt in den Postbus ein und möchte eine Fahrkarte nach Peking lösen.

Der Buschauffeur: „I kann dir a Kartn nach Bischofshofen geben, dann fragst am Bahnhof weiter!“

Beim Fahrkartenschalter in Bischofshofen bekommt er wieder nicht das Gewünschte: „Du kannst a Kartn nach Wien haben, da musst di weiter durchfragn!“

In Wien „Heast Burli, da hast da was vorgnumma!“ kann er nur eine Karte nach Moskau lösen.

Die Verständigungsprobleme werden in Moskau nicht einfacher, aber er bekommt die ersehnte Karte und kommt schlussendlich in Peking an.

In Peking wird er sich den Kaiserpalast, die verbotene Stadt, angeschaut haben, dann vielleicht noch die Chinesische Mauer bei Badaling.

Er zögert die Heimfahrt immer wieder hinaus, wie soll er am Bahnhof in Peking eine Fahrkarte nach Moskau lösen.

Endlich nimmt er sich ein Herz, geht zum Auslandschalter und verlangt eine Karte nach Moskau. Der Beamte spricht wider Erwarten Deutsch: „Du nix russisch, wohin du wollen genau?“

Gut, dann halt nach Wien. Der Beamte „Du nix Weana, wohin du wollen genau?“

OK nach Salzburg, Bischofshofen. Der Beamte „Du nix Bischoshofa, wohin du wollen genau?“

Sepp fasst sich ein Herz und sagt „Mühlbach am Hochkönig!“

Der Beamte stellt ihm die Karten zusammen und informiert ihn: In Moskau umsteigen nach Wien! In Wien umsteigen nach Salzburg! In Salzburg umsteigen nach Bischofshofen!

„Jetzt aber Achtung mein Herr, in Bischofshofen umsteigen auf Postbus nach Mühlbach am Hochkönig!“

Schon damals haben die Chinesen über uns mehr gewusst, als wir über sie! 😉

© Gerhard Maier 2020-04-15