In der Bahn

Warme Luft schlug ihr ins Gesicht als sie in die Bahn einstieg. 38°C. Es war einfach viel zu warm heute und in der Bahn waren zu viele Leute.

Sie atmete tief ein und aus, schaute aus dem Fenster und sah ein Haus nach dem anderen vorbeifliegen. Sie sah alles an sich vorbeiziehen und merkte, wie sie schwitzte. Hoffentlich merkte es keiner in der Bahn. Sie hasste es zu Schwitzen. Es fühlte sich an als würde selbst die Haut einen bemitleiden und weinen. Sie kämpfte doch gerade darum, die Tränen zurückzuhalten und sah sich hilfesuchend um, doch schnell kam die ernüchternde Erkenntnis, dass sie nicht einmal den Fahrtwind merken würde, da kein einziges Fenster offen stand. Selbst konnte sie aber auch keines erreichen. Verzweifelt versuchte sie ruhig zu atmen.

Es rauschte in ihrem Kopf. Zu viele Menschen, zu viel Gerede, zu viele Gerüche, die sich vermischten und einen unerklärlichen Duft bildeten. Es roch ein bisschen nach Parfüm, ein bisschen nach Schweiß, ein bisschen nach Döner und nach Unbekanntem, Fremdem.

Sie fühlte sich allein in der Bahn, obwohl dort doch so viele Menschen um sie waren. Sie atmete ein und atmete aus. Hilflos blickte sie zu den Fenstern, doch niemand machte eines auf.

Als sie auf ihr Handy schaute, schlug ihr die Ernüchterung wie eine Faust ins Gesicht. Niemand hatte ihr geschrieben. Sie konnte der Bahn nicht entfliehen, sich dem hier nicht entziehen.

Sie atmete ein und atmete aus. Da wurde es plötzlich laut. Musiker liefen mit Saxophon und Gitarren durch die Bahn und selbst ihre Kopfhörer konnten den Lärm nicht unterdrücken.

Erst jetzt merkte sie wie lange sie schon nichts getrunken hatte. Ihr Hals war ausgetrocknet, ihr Kopf schmerzte und vor ihren Augen flimmerte die Welt. Sie spürte ihre Hände zittern. Und sie atmete ein und atmete aus.

An der nächsten Station rannte sie wie vom Teufel gestochen aus der Bahn raus und setzte sich auf eine Bank auf dem Bahnsteig. Sie klammerte sich am Sitz fest und die Welt begann sich zu bewegen, sich immer schneller zu drehen.