von MellieGreen
Ich bin noch im Halbschlaf als ich meine Augen öffne. In meinem Zimmer ist es dunkel. Nur durch den Türspalt aus dem Flur dringt Licht. Ich muss es angelassen haben. Ich schließe noch einmal für einen kurzen Moment die Augen, als mir plötzlich klar wird: Etwas stimmt hier nicht.
Ich höre etwas. Es raschelt leise am Ende des Flures. Dann höre ich dumpfe, zaghafte Schritte. Mir schießen tausend Gedanken gleichzeitig durch den Kopf. Eine Sache weiß ich sicher: Ich bin eigentlich allein zu Hause.
Adrenalin schießt durch meinen Körper wie ein heißer Blitz. Ich reiße die Augen auf. Jetzt bin ich hellwach. Ich starre regungslos auf den Türspalt, ohne zu blinzeln.
Wieder ein Rascheln. Und dann sehe ich es durch den Türspalt. Eine dunkle Gestalt huscht durch den hellen Flur an meiner Tür vorbei. Ich bin gelähmt. In meinem Kopf gibt es nur noch diesen einen Gedanken: Nicht bewegen, nicht auffallen. Vielleicht kann ich unbemerkt bleiben. Ich liege immerhin im Dunkeln. Das Licht aus dem Flur fällt nicht bis zu meinem Bett in mein Zimmer.
Möglicherweise ist es ein Mann. Ich habe es in dem kurzen Moment nicht erkennen können. Es ging alles zu schnell. Warum höre ich jetzt keine Schritte mehr?
Ich bin vor Angst erstarrt. Ich atme so leise ich kann und unterdrücke fast jedes Geräusch. Dennoch fürchte ich, mein Atem könnte mich verraten. Oder mein Herz, das mir im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Hals schlägt. Wieder wird mein Körper von einer heißen Welle aus Angst durchströmt. Ich muss etwas tun. Ich muss weglaufen. Das will mir mein Körper damit sagen. Aber ich weiß, ich darf mich nicht rühren. Ich muss durchhalten. Aber ich muss irgendwie Hilfe holen.
Ich taste mich vorsichtig mit meiner rechten Hand in Richtung Nachttisch vor. Dort muss mein Telefon liegen. Damit kann ich vielleicht Hilfe verständigen. Plötzlich fällt mir etwas viel Wichtigeres ein: Ich muss den Ton ausschalten. Meine nächste Benachrichtigung wird mich sonst sicher verraten. Ich strecke die Hand weiter aus. Ganz leise. Meine Hand berührt vorsichtig die Kante meines Nachttischs. Ich stoppe augenblicklich und überlege, ob dort noch andere Gegenstände liegen. Ich darf keine Geräusche machen, nichts versehentlich zu Boden werfen, das mich verraten könnte. Leise taste ich mich weiter voran, den Blick wie paralysiert auf die Tür gerichtet. Wenn ich das Telefon habe, muss ich äußerst vorsichtig sein. Am besten ziehe ich es ganz langsam zu mir unter die Decke. Kein Licht, keine Geräusche.
Ich fixiere den Türspalt, während sich meine Hand immer weiter auf meinem Nachttisch bewegt. Ich muss es einfach schaffen. Ich suche immer weiter. Immer noch ganz langsam. Ich weiß nicht wie ich es schaffe, so lange ruhig und fokussiert zu bleiben. Nach einer gefühlten Ewigkeit merke ich es: Auf meinem Nachttisch steht nur mein Wecker. Dort liegt kein Telefon.
© MellieGreen 2024-09-07