In der Metro

Irene Hülsermann

von Irene Hülsermann

Story

Von unserer Unterkunft fuhr ich mit der Linie A ins Stadtzentrum von Rom. Oft stieg ich an der Piazza Barberini aus, aber auch an der Stazione Termini oder der spanischen Treppe.

35 Minuten hatte ich die Gelegenheit Menschen zu beobachten. Es gibt bisher in Rom nur zwei Linien. Die dritte, Linie C, wird im Augenblick gebaut und wer schon mal in Rom war, kann sich vermutlich vorstellen, dass dies ein schwieriges Unterfangen ist. Unter der heutigen Stadt Rom liegen weitere antike Gebäude. Wenn ein Mammut-Projekt wie eine Metro gebaut wird, werden dabei unvergleichliche Schätze entdeckt. Erst vor wenigen Jahren fand man die alte Stadt von Kaiser Nero mit seinem Domus Aurea. Teilweise ist dies nun für Kultur- und Geschichtsinteressierte geöffnet. Unter dem Palazzo Valentini hingegen wurden alte römische Häuser gefunden und wieder zugänglich gemacht.

Da die Metro das schnellste Verkehrsmittel in der Innenstadt von Rom ist, ist sie logischerweise kontinuierlich voll. Auf dem Hinweg fand ich immer einen Sitzplatz, da ich bei der ersten Haltestelle einstieg, aber zurück war es jedes Mal ein mittlerer Alptraum. Wer einen Platz bekam, konnte sich glücklich schätzen.

Morgens fuhr ich zudem zu einer Uhrzeit, die erträglich war und da hatte ich die Möglichkeit, meine Mitfahrer zu beobachten. In den drei Monaten sah ich stets die gleiche Bettlerin: Eine junge Frau, die ein Baby auf die Schulter gebunden hatte und immerfort im permanent leiernden Ton den immer gleichen Satz runterbetete. Kaum ein Mensch beachtete sie. Andere versuchten mit originelleren Ideen an Geld zu kommen: Ein Mann spielte auf einem Akkordeon und ein junger Kerl ergatterte ein paar Münzen mit seinem Beat Box Gesang.

In Zeiten des Smartphones gab es kaum noch Unterhaltungen zwischen den Reisenden. Aber hin und wieder sah ich einen älteren Herrn mit einer Zeitung oder ein junges Mädchen mit einem Buch. Besonders bemerkenswert fand ich einen jüngeren Mann, der Comics zeichnete. Davon abgesehen, dass seine Kunstwerke beeindruckend waren, fragte ich mich, wie er das mit den ruckhaften Bewegungen des Zuges bewerkstelligen konnte.

Ich beobachtete streitende Teenager und ein Liebespaar, das sich anscheinend so zerstritten hatte, dass sie weit auseinander saßen. Hin und wieder schauten sie sich jedoch an. Sie blickte ihn mit erbosten Blick an und er hatte eine verzweifelte Miene. Er tat mir irgendwie leid, so traurig und geknickt wirkte er auf mich. Irgendwann sah ich, wie er etwas in sein Smartphone schrieb. Nach einer Weile sah man, dass auch sie tippte. Kurz darauf trat er zu ihr und setzte sich neben sie. Sie redeten wieder miteinander und verließen die Metro Händchen haltend.

Wenn ich mit meinem Mann fuhr, vertrieben wir uns die Zeit mit einem Spiel. Wir beobachteten die Touristen und Ausländer und überlegten uns, woher diese kämen. Dann versuchten wir zu hören, welche Sprache sie benutzten. Kaum zu glauben, wir hatten fast immer recht.

© Irene Hülsermann 2022-10-17

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