von Anna Geier
Ich liege am Sofa und die Seele baumelte dahin. Mein Körper muss hinaus, will nicht, muss aber dringend. Innerlich kämpfte ich, nahm mein Handy und suchte die Nummer. Tief durchatmen, Handy wieder weglegen und überlegen. Wie heißt denn eigentlich mein Zahnarzt? Da ich schon 3 Jahre nicht mehr dort war, wurde mir in dem Moment so richtig bewusst, dass ich sofort dorthin muss, ob ich will oder nicht. Mir wird heiß und kalt gleichzeitig, denn ich habe mir ein Ei gelegt. Der innerliche Kampf wird stärker und ich nehme wieder mein Handy, überwinde mich und rufe an. Mittlerweile ist mir der Name meines Zahnarztes wieder eingefallen. Es war so weit, ich musste mich der Wirklichkeit stellen. “ 2 Mal täglich Zähneputzen, 2 Mal im Jahr zum Zahnarzt, schoss es mir durch den Kopf.
So schnell habe ich noch nie einen Termin bekommen. Zitternd habe ich mich überlistet. Schließlich wollte ich den Zahnarzttermin umgehen, wollte ihn noch weiter in die Zukunft verlegen, gar nicht wahrnehmen, aussortieren, absagen, nicht brauchen, abhaken, oder einfach übersehen. Es ging nicht mehr, denn ein Zahn fühlte sich komisch an. Noch komischer als ich, es war wie ein Wettbewerb, den brauche ich nicht. Wer wird Sieger bei dem Spiel? Ich oder mein Zahn?
Gleich am nächsten Tag in der Früh war es so weit. Da ich im Vorhinein niemand fragte, wie es denn jetzt so sei beim Pappenschlosser, konnte ich jungfräulich erleben, wie es geschehen sollte. Der Empfang bei der Tür war schon umwerfend. “Sind sie allergisch auf Jod?” , fragte mich die Zahnarzthelferin. 30 Sekunden spülte ich mein Maul mit der braunen Brühe, danach ausspucken, desinfizieren, Maske auf, warten, ab in den Röntgenraum, erneute Desinfektion, Maske auf, E-card, Fiebermessen, Warteraum, endlich werde ich aufgerufen.
Einem bis zur Unkenntlichkeit vermummten Zahnarzt samt Zahnarzthelferin trete ich gegenüber. Dabei wollte ich sehen, um wie viele Jahre er gealtert ist, in den 3 Jahren. Ich staune immer wieder, weil er nicht älter wird und diesmal wollte ich seinen Altersprozess wahrnehmen. Leider nein! Das Staunen fällt dieses Mal leider aus. Der Jungbrunnen ist in den letzen 15 Jahren nicht gealtert. Er sieht immer gleich frisch aus.
Welch Freude, ich werde ohne Maske behandelt. Mein Herz schlägt vor Angst, als ich Platz nehme und der Arzt sich mit Lupenbrille und chirurgischer Maske mir nähert. Während er den virtuellen Spaziergang durch mein Maul macht, zuerst am Computer und dann in real, beruhige ich mich. Eine neue Füllung wird gemacht, sonst ist alles in Ordnung. Zur Mundhygiene solle ich mich auch gleich anmelden.
Als ich den Behandlungsraum mit Maske verlasse, rufe ich noch laut, während die Helferinnen die verwendeten Instrumente gründlich sterilisieren und wischen: “ Danke für die prompte Erledigung!” Beide stoppten kurz ihre Tätigkeit. Ich hatte es geschafft, sie aus ihrer Routine zu unterbrechen. Der Mundhygienetermin fand gleich anschließend statt, da jemand ausgefallen war.
© Anna Geier 2020-11-25