In der Reha-Klinik

Ulrike Sammer

von Ulrike Sammer

Story

Eine Rehabilitationsklinik zu Coronazeiten ist ein bisschen anders als sonst!

Wir laufen alle incognito herum und es gibt kaum eine Unterhaltung beim Warten auf die Traingseinheiten. Durch die Masken versteht man einander auch ziemlich schlecht. Es wird sehr darauf achtgegeben, dass wir Abstand halten können. So war heute die „WirbelsäulenGRUPPE“ einzig nur für mich!

Man darf generell nur einen Besuch und nur auf eine Stunde pro Tag bekommen. Ich selbst habe alle Besuche abgesagt und bleibe per mail mit meinen Lieben verbunden.

Mit meiner Tischgesellschaft habe ich wirklich Glück, denn sie besteht aus Personen, mit denen man interessante Gespräche führen kann. Das ist nicht an jedem Tisch so, denn es gibt auch Demente, sehr „Maulfaule“ und etliche Menschen mit einem minimalen deutschen Wortschatz. Neben mir sitzt ein Russe nach einem grauenvollen Unfall, bei dem ihm ein Arm fast abgerissen wurde. Die Dame aus der Steiermark weiß Interessantes zu berichten, wie ihr mittels Botox ihr schmerzhafter Schiefhals für ein paar Wochen gerade gerichtet wird. Der pensionierte Mittelschulprofessor, der leider schon abgereist ist, war ein hervorragender Gesprächspartner in Sachen Kultur, weil wir beide nahezu dieselben Theaterstücke gesehen haben. Schließlich sitzt mir gegenüber ein ehemaliger Kinderarzt aus Deutschlands hohen Norden, den es ins Burgenland verschlagen hat. Er erzählt nette kleine Anekdoten. Allerdings wiederholen sich die Geschichten öfters, da nach einem Gehirntumor sein Kurzzeitgedächtnis gelitten hat. Aber das macht nichts! Es sind jedenfalls lauter liebenswerte Menschen!

Jeden zweiten Tag habe ich Wassergymnastik (mit viel Abstand).Wenn ich mit dem nassen Badeanzug wieder in mein Zimmer komme, hänge ich ihn gerne über das Geländer meines Balkons zum Abtropfen. So auch an diesem windigen Tag…

Als ich ihn abends herein holen wollte, war er verschwunden. Oh Gott, was war passiert? Ich schaute erschrocken aus dem 2. Stock in die Tiefe auf eine kleine Grünfläche mit hohen Bäumen. Was hat der Wind mit meinem Badeanzug gemacht? Ich habe ja nur den einen mit!

Ich suchte akribisch alle Baumkronen unter mir ab. Nichts zu sehen! Draußen wurde es immer finsterer.

Also musste ich hinunter und hoffte, dass die Türe in den Therapiegarten noch offen ist. Gott-sei-Dank konnte ich hinaus und suchte nun den Boden ab – nichts. Auch von unten konnte ich in den Baumkronen nichts Verräterisches entdecken. Wie hätte ich auch sonst ins Geäst hinauf klettern können?

Endlich fand ich einen Strauch mit roten Beeren und gerade noch in der Höhe, wo ich auf den Zehenspitzen stehend hinkam, meinen dunkelblauen Badeanzug. Gerettet!

© Ulrike Sammer 2020-10-10

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