von Louis Eikemper
Mein Vater legte mir schon in jungen Jahren stets nahe sich zu gedulden, getreu dem Motto: »In der Ruhe liegt die Kraft.«
Ebenso brachte er mir bei, die Gegebenheiten der Welt zu hinterfragen – und mich in der Meinungsbildung selbst zu begrĂĽnden.
Bis heute verfolge ich viele von den Prinzipien, die ich von meinem Vater lernen konnte – insbesondere das Prinzip der zu Beginn erwähnten Ruhe, welche mir als Schöpfungsquelle meiner Kräfte dient. Wer mich näher kennt, wird bestätigen können, dass ich die Ruhe in Person bin – die einen lieben mich dafĂĽr, fĂĽr manch andere bin ich wiederum oftmals fast schon zu entspannt. Schon oftmals hat man mir nachgesagt, dass ich ja »die Ruhe weg hätte« – und ja, vielleicht ist es fĂĽr den modernen Menschen, der sich dem GefĂĽge einer hektisch verrinnenden Zeit anvertraut – schier unbegreiflich, wie es möglich wäre, stets in sich zu ruhen.
Mir scheint, dass in der Akzeptanz mit unseren Erfahrungen, also in der Bejahung vom Leben, dass gewiss nicht bloĂź BespaĂźung, sondern auch allerlei MĂĽhsal und Leiden zu fĂĽgen weiĂź, ein universeller SchlĂĽssel fĂĽr uns liegt. Das In-sich-Ruhen wĂĽrde demzufolge bedeuten Widerstände gegen den Lauf der Zeit fallen zu lassen. Es wĂĽrde verstehen alle Eventualitäten loszulassen und somit eben auch die quälenden Folgen aller inneren Unruhe: Gehässigkeit, vergleichendes Konkurrenzdenken, Missgunst und die Gier nach dem was man nicht besitzt. Es wĂĽrde heiĂźen sich loszulösen – von all diesen permanenten Depersonalisationen, denen man durch Hektik auszulaufen droht – und stattdessen die eigene, innere Stimme immer deutlicher wahrzunehmen, ihr gewissenhaft folgsam zu sein und sich der Selbstliebe vom Glauben in die eigenen Kräfte und Fähigkeiten anzuvertrauen, sodass man es versteht sich mit niemandem mehr zu vergleichen, auĂźer mit sich selbst.
Ja, denn wenn jedes Tier, dass in freier Wildbahn lebt, es versteht auf die eigene Art und Weise in sich selbst zu ruhen, weil es eins mit dem Leben ist – unbeirrt, vereint mit der eigenen Wesenheit und der eigenen Natur – dann sollten wir Menschen in unserer Funktion als »Krone der Schöpfung« es auch verstehen, einen Weg zur eigenen inneren Ruhe entwickeln zu können, ohne uns dabei zum sprichwörtlichen „Affen zu machen“ (wie die Evolutionstheorie ; hihi, ich Scherzkeks)!
Ich bin ĂĽberzeugt, dass der SchlĂĽssel zu eben diesem inneren Frieden auch der SchlĂĽssel dazu ist die Zeit ĂĽberdauern zu können. Ruhe braucht der (strategisch geschickte) Schachspieler, ebenso wie die Ruhe der (kreativ veranlagte) Maler benötigt, um im Augenblick das zeitlose sehen zu können, ganz und gar eins mit dem Moment zu sein – und nirgendwo sonst. Sich in das eigene Wesen auszubalancieren schafft innere Distanz und Abgeklärtheit. Genau darin sehe ich auch das Fundament fĂĽr den inneren Frieden, nach dem jeder strebt. Er lebt im Praktizieren der Tugenden, die nicht nur sich selbst und dem direkten Umfeld – sondern per se auch der ganzen Welt zugutekommen: im MitgefĂĽhl und der Nächstenliebe. In meinem Verständnis liegt es in der Natur der Menschenseele, Polaritäten zusammenzubringen und nicht verallgemeinernd zu bewerten. Meinem Erleben im Alltag hilft es, voll und ganz gegenwärtig zu sein und die Kraft des Moments zu nutzen. Das ist es, was meinem Kopf Ruhe verschafft. Präsenz heiĂźt fĂĽr mich, entspannt und gleichzeitig wach zu sein. Jeder temporäre RĂĽckzug in die Stille sowie regelmäßiges Entspannen unterstĂĽtzen mich auf meinem Weg zu einem stetig wachsenden, unerschĂĽtterlichen Selbstvertrauen in die eigene Ruhe und Kraft – und somit zu der immer nächsten Ebene meines Verständnisses vom sich selbst bewusst zu sein. Ich glaube fest daran, dass nur wer es fertigbringt, im eigenen Wesen zu ruhen, mit ganzer Gelassenheit der größten Herausforderung ĂĽberhaupt begegnen kann: der Entledigung eigener Ă„ngste – und der Differenzierung von eigener und allgemeiner Vergänglichkeit. Wer in sich ruht, entsagt dem Zeitgeist, sodass alle Hektik zur Illusion verblasst. Wer in sich ruht, versteht es Bedeutung aus seinem Lebensgeschenk zu ziehen und mit ganzem Herzen wirksam zu verweilen, im Ăśberdauern aller ZeitgefĂĽge.
Ja, im Prinzip brauchen wir also gar nicht irgendwo dort drauĂźen nach der Ruhe suchen, die uns zu Kräften verhilft. Wie schon damals, wenn ich als junger Bub in Papas perfekt sortierter Werkstatt etwas gesucht habe sofort fĂĽndig wurde, brauchen wir genauso wenig umherzuirren. Sie liegt immer am gleichen Ort fĂĽr uns bereit: in der inneren Ruhe liegt sie – die Kraft!
Nun, ja! Letztlich selbstverständlich. Wer, wenn nicht der eigene Papa ist es, der am Ende recht behält?
© Louis Eikemper 2024-08-19