von Ulrike Sammer
Wir waren zwar schon in der halben Welt, aber immer noch gibt es Gegenden in unserer Heimat Österreich, die wir kaum kannten. Daher zogen mein Mann und ich aus, um für uns bisher unbekannte Teile des oberösterreichischen Mühlviertels zu erkunden.
Diesmal war die Wolfsschlucht in Bad Kreuzen dran. Zwischen dem kleinen Kurort Bad Kreuzen und der Burg Kreuzen hoch oben auf dem Berg befindet sich die wildromantische, sehr steile Wolfsschlucht, in der sich zwischen großen, bemoosten Steinen ein kleiner Wasserfall an den anderen reiht. Der Aufstieg ist sehr malerisch, aber auch sehr steil.
Das Besondere, für uns Verblüffende und Witzige ist aber, dass diese anstrengend zu begehende Schlucht seit 1843 zur Kur benützt wurde! In der Zeit von den Naturheilern Vinzenz Prießnitz und Pfarrer Kneipp wurde kaltes Wasser als Heilmittel entdeckt. Und kalt war das Wasser allemal. Selbst im Hochsommer hat es höchstens 12° bis 14°, sonst etwa 8°. An besonderen Stellen der Schlucht waren eigenartige Tafeln angebracht. Was hatten diese zu bedeuten? Bad Kreuzen rühmte sich viele adelige Kurgäste zu haben, die sich durch verschiedene Stationen hinauf „quälten“. Im ohrenbetäubenden Lärm der herabstürzenden Wasser wurden die Bäder genommen. In höher gelegenen Stellen des Baches wurde Wasser in Röhren seitlich abgeleitet und prasselte durch ein Sieb als „Regendusche“ aus großer Höhe herab. Beim Wasserfall befanden sich die „Wiener-Wellen“-Bäder. Im Bachbett selbst hatten sich durch Jahrtausende natürliche Becken gebildet, die für den Badebetrieb bestens geeignet waren. Die Ruheplätze wurden mit den Namen prominenter Gäste versehen. Es gab ein Damen-Wellenbad und eigene Duschen für Damen oder für Herren und Umkleidekabinen.
Der bekannteste und häufige Kurgast war Anton Bruckner, der sich hier von einem Nervenleiden erholte. Seine Zuflucht auf der Strecke war die Neptunsgrotte, die später nach ihm benannt wurde.
Das Bad gehört zu den radioaktiven Quellen des Mühlviertels. Es gibt etliche Krankheitsgeschichten, die die Wirksamkeit der Kur belegen. Allerdings wird auch berichtet, dass Kröpfe hier sehr häufig sind und dass Frauen meist schon vor der Volljährigkeit ihre Schneidezähne verlieren.
Mein Mann und ich wanderten anschließend an unseren Aufstieg durch den Wald zum „Frauenstein“, der zwei eigenartige Schalen hat. Eine trocknet nie aus und ist immer mit Wasser gefüllt. Falls man sie ausschöpfen würde, droht ein Unglück – so sagt der Volksmund.
© Ulrike Sammer 2021-02-03