von Mara_Althaus
Der Akku ist leer.
Auf dem Weg zum Bahnhof hat er sich verabschiedet. Luca hat noch die grobe Route im Kopf und es bleibt keine Alternative, außer vage in die richtige Richtung zu laufen und irgendeine Möglichkeit zu finden, das Handy zu laden.
Es ist noch warm, aber in der fortgeschrittenen Dämmerung werden die fremden Straßen unübersichtlicher, die Schatten zwischen parkenden Autos tiefer und die Lichter vorbeifahrender Roller so hell, dass man die Entgegenkommenden erst spät erkennt. Es sind nur ein-zwei Straßen abseits einer stärker frequentierten Hauptverkehrsader, aber plötzlich ist Luca in einer menschenleeren Seitenstraße. Am Ende der Straße stehen ein paar Männer an einer Ecke und diskutieren laut. Luca denkt nicht nach, zieht schnell den Kapuzenpullover über, will auf das Handy schauen, aber der Bildschirm ist immer noch schwarz. Sie stehen mitten im Weg. Luca will umdrehen.
Von hinten kommt jemand mit einem Hund. Groß, breit, dunkel.
Instinktiv schlägt Luca die Kapuze über den Kopf. Ist froh um die dunklen Klamotten. Die sportlichen Sneaker, die wie gemacht dafür sind, um davonzulaufen.
Gleichgültig gerade aus mit schwerem Schritt und breiten Schultern. Straßenseite wechseln, oder nicht? Es wird unangenehm heiß unter dem Kapuzenpulli.
Typ und Hund kommen näher.
Als sie mit nur einer Armeslänge Abstand aneinander vorbeigehen, durchzuckt Luca ein Adrenalinstoß. Aber es passiert nicht. Nur eine Überreaktion.
Dann eine breitere Straße, Menschen. Vermeintliche Sicherheit, zumindest könnte jemand die Schreie hören.
Der Puls beruhigt sich und langsam kann Luca klarere Gedanken fassen.
Es ist gegen Kims Budget-Regel, aber besondere Umstände fordern besondere Maßnahmen, deshalb setzt sich Luca eine Weile in die nächstbeste enoteca, trinkt ein Gläschen und darf sogar das Handy laden. Viel zu schnell ist der Akku bei annehmbaren 30%, das Glas leer und die Gewissensbisse zu laut, um sie noch länger zu überhören. Sie treiben Luca zurück auf die Straße.
Es gibt keine Möglichkeit, Kim zu kontaktieren.
Es ist nicht auszuschließen, dass Kim planlos durch die Stadt irrt.
Luca biegt um eine Ecke und sieht den Trevibrunnen. Den Anfang allen Übels. Die Menschenmassen vom Vormittag haben sich gelichtet und der Brunnen ist hell erleuchtet. Wunderschön.
Entgegen aller Vernunft fischt Luca die letzten paar Cent aus der Bauchtasche und wirft sie in den glitzernden Brunnen.
Luca seufzt.
Zumindest besteht eine Restwahrscheinlichkeit, dass Kim daran gedacht hat, einfach den Weg über den Trevibrunnen zum Bahnhof zurückzuverfolgen.
© Mara_Althaus 2023-09-01