Die Welt hält gerade den Atem an. Ich korrigiere meinen Gedanken gleich. Die Menschheit hält gerade den Atem an. Vielleicht eher so. Zumindest erscheint es mir so.

Die Tiere und Pflanzen nehmen wohl von unserer Krise wenig Notiz. Alles nimmt, soweit ich es erkennen kann, seinen gewohnten Lauf. Die Ameisen klettern weiter über ihren Hügel, die Zugvögel sind zurückgekommen und suchen nach Nistplätzen, unsere Hasen zeigen sich wie immer wenig interessiert. Die Blumen treiben aus und blühen, dann kommt der Frost und einige lassen wieder ihre Köpfe hängen. Die Flüsse fließen in ihren gewohnten Betten Richtung Meer.

Bei uns sieht das anders aus. Unser Rhythmus ist gerade ins Stocken geraten. Ich warte, habe das Planen erst einmal für die nächste Zeit aufgeben, ich hoffe und gehe einem etwas surreal wirkenden Alltag im Rahmen der neuen Regeln nach.

Vor ein paar Wochen war es für mich noch unvorstellbar, dass das öffentliche Leben bei uns einmal komplett heruntergefahren wird. Jetzt ist es vorübergehende Realität.

Die Krise birgt viele Schwierigkeiten, viel Tragisches, viele Herausforderungen und Enttäuschungen. Doch ich denke, dass sie aber auf der anderen Seite auch Chancen bieten kann. Unter Anderem blicken wir mit einer gewissen Distanz auf unser normales alltägliches Leben, weil es für unbestimmte Zeit in die Ferne gerückt ist. Es erinnert mich dran auf einem hohen Berggipfel zu stehen. Der Alltag ist weit weg, erscheint kleiner, es wirken größere Kräfte auf mich. In solchen Momenten entsteht Raum in größeren Dimensionen zu denken statt mich in kleingeistigen Alltagsfragen zu verstricken. Ich denke, es ist in Ausnahmesituationen leichter zu erkennen, was für uns wirklich Wert hat! Was zählt? Was hat Bestand? Prioritäten verschieben sich, Werte ordnen sich neu. Wir können in dieser erzwungen Pause Antworten auf die Fragen des Lebens finden, für die wir sonst vielleicht keine Zeit, keinen Raum haben. Wer wollen wir eigentlich sein? Wie wollen wir wirklich leben?

Auch wenn unser Leben gerade den Atem anhält, es wird das Ausatmen kommen und ihm ein neues Einatmen folgen. Hauchen wir doch unserem Leben nach der Krise einen neuen Atem ein, indem wir es mehr in dem Sinne gestalten, wie wir wirklich leben wollen. Als Gemeinschaft, als Einzelner, in Verbindung mit der Natur und allen anderen Lebewesen!

Herzlich Sophie