Indische Hochzeit

Franz Herzog

von Franz Herzog

Story

Die Morgensonne wirft ihr mildes Licht auf die tanzenden Götterfiguren an der Fassade des Hindutempels von Hampi im SĂŒden Indiens. Der bunt bemalte Tempel-Elefant schreitet wie jeden Morgen zum nahen Fluss. Sein Herr lenkt ihn mit den FĂŒĂŸen hinter den großen Ohren. Im Wasser legt sich das majestĂ€tische Tier folgsam auf die Seite und wird sorgfĂ€ltig geschrubbt. Bereits zeitig in der FrĂŒh kommen Frauen und MĂ€dchen zur Morgentoilette an den Fluss, waschen ihre wunderschönen Saris, MĂŒtter kĂ€mmen kleine MĂ€dchen und baden ihre sich lautstark strĂ€ubenden Babys. SpĂ€ter folgen die MĂ€nner und Buben.

Inzwischen segnet der heilige Elefant, der als Gott Ganesh verehrt wird, die ersten Besucher des Tempels, indem er ihnen mit seinem RĂŒssel sanft ĂŒber das Haupt streicht. Dann hört man schon von Ferne die schrille Blasmusik, die sich mit einem Hochzeitszug dem Tempel nĂ€hert. Die Braut wird durch ein rotes Tuch verhĂŒllt ĂŒber die Stufen getragen. Ich darf mitten unter den HochzeitsgĂ€sten den Ablauf des Ritus filmen.

Der Priester entzĂŒndet ein Feuer, ĂŒber das die Brautleute ihre HĂ€nde breiten und zur Stirn fĂŒhren. Auch die GĂ€ste geben die Feuerschale weiter und halten ihre HĂ€nde ĂŒber das Feuer. Dann reicht der BrĂ€utigam der Braut eine Kokosnuss und sie binden sich gegenseitig eine Schnur um das rechte Handgelenk. Ein erstes Kennenlernen mit ersten BerĂŒhrungen. Daraufhin stehen alle auf und werfen Reis in die Luft. Jetzt hĂ€ngen sich die Brautleute gegenseitig weiße und rote BlumenkrĂ€nze um den Hals.

Der Priester legt nun Ringe in eine SchĂŒssel mit Milch und beide versuchen nach den Ringen zu tasten. Darauf streut der Priester Mehl in ihre HĂ€nde, gießt Wasser darĂŒber und reibt ihre HandflĂ€chen aneinander, vielleicht ein Symbol fĂŒr Fruchtbarkeit. Beim gemeinsamen Abwaschen des Mehlbreis und Abtrocknen der HĂ€nde kommt es zu weiteren BerĂŒhrungen der beiden. Jetzt wird den Brautleuten von den Verwandten ein weißer Schal um die Schulter gelegt, den der Priester samt den Ringen als Symbol der Zusammengehörigkeit miteinander verknotet und mit roter Farbe bemalt.

Nach dem Ende der Zeremonie fĂŒhrt der Priester das Brautpaar vor den Tempel und zeigt mit der ausgestreckten Hand einen imaginĂ€ren Stern am Himmel. Der frisch gebackene Ehemann nimmt nun die Hand seiner Angetrauten und beide deuten zum Himmel. Sie falten dann ihre HĂ€nde zum Gebet und blicken zum Universum. Damit ist die Heirat vollzogen und die Eheleute verlassen gemeinsam mit den engsten Verwandten den Tempel. Sie begegnen dabei dem nĂ€chsten Hochzeitszug, der in Begleitung einer Ă€hnlich schrillen Musik zum Tempel zieht.

In Indien suchen immer noch die Eltern den Ehepartner aus, möglichst aus der gleichen Kaste. Aber emanzipierte Frauen, meist mit höherer Bildung, setzen sich immer öfter darĂŒber hinweg. Als in Rajastan der Sohn eines Maharadschas geheiratet hat, waren wir zum Essen eingeladen, welch ein pompöser Kontrast zur geschilderten Hochzeit dieser armen Leute.

© Franz Herzog 2021-05-19

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