Inge – 1

Günther Stark

von Günther Stark

Story

Bei der Vorbereitung des Faschingsballs tritt er, um für die richtige Frauenquote zu sorgen, in Kontakt mit einer benachbarten Mädchenschule. Deren Sprecherin heißt Inga. Sie verabreden sich in einer beliebten Bierstube auf dem neutralen Terrain zwischen den beiden Gymnasien, er in Begleitung seines Klassenkameraden Alfred, alias Alfie, seines Handlangers und Adlatus. Er ist bezaubert von dem Geschöpf, das ihm da am Tisch gegenüber sitzt.

Inge ist eine hübsche Brünette, deren empfindsames Naturell seinem eigenen verwandt scheint und mit der er sich gut vorstellen könnte sein ganzes Leben zu verbringen. Mit heimlich süßem Staunen erblickt er ihre schwebende Gestalt, die seligen Augen und die sanften Brauen, und es zieht ihn mit seltsamer Gewalt zu ihr hin. Mit einem Wort, er fängt sofort Feuer.

Sie verständigen sich über die Einzelheiten des gemeinsamen Balls und kommen dann auf persönlichere Dinge. Vormittags in der Deutschstunde bei Kramer haben sie gerade die Verse Erinnerung an Marie A. eines modernen Dichters besprochen.

Das alles interpretiert Harry leidenschaftlich am Tisch des Bierhauses seinem ergriffenen Publikum, und gibt damit preis, wieviel er selbst von der Liebe versteht und ihrer selbst womöglich nicht unwert wäre, – auch der Liebe Inges, der sentimentalen Brünetten, nicht. Alles sagt er vor der bezaubernd staunenden Inge und schaut ihr dabei beiläufig manchmal in die schönen rehbraunen Augen.

Sie tauschen ihre Adressen und machen aus, sich erneut zu treffen. Auch Alfie gibt seiner Begeisterung Ausdruck.

Zum vereinbarten Termin aber leidet Harry unter einer Erkältung, hütet das Bett in der Bolkerstraße und streicht finster im Morgenmantel umher. So kann er nicht zu dem Treffen mit Inge kommen und schreibt ihr stattdessen zur Entschuldigung einen Brief. Kann es sein, dass dieser schon ziemlich zärtlich abgefasst ist? Leidet er schon um sie? Wird sie darauf reagieren?

Ja, sie reagiert und kommt, vielleicht auch auf Anregung Alfies, und in dessen Begleitung, zu ihm nach Hause, wo sie von Betty umschwänzelt und bewirtet werden. Im Morgenmantel sitzt er mit ihnen zusammen und diskutiert die letzten Details des geplanten Balls.

Wird sie sich in ihn verlieben? Wird sie die stille bleiche Liebe in seinen Armen? Sie fährt gerade mit ihrer Klasse für eine Woche ins Winterlager. Beim Abschied an der Wohnungstür spürt er eine merkwürdige Unentschiedenheit. Wie wäre es, wenn er sie zum Abschied in den Arm nähme? Gehört sich das nicht? Flüchtig fällt ihm ein, dass er sie bitten könnte, seinetwegen dazubleiben; da geniert er sich aber, so direkt bei ihr mit der Tür ins Haus zu fallen. Aber könnte er sie zum Abschied nicht um einen Kuss bitten? Alfie ist schon ein Stück voraus die Treppe hinunter, die Gelegenheit ist ideal, sie sind zu zweit unter sich, sodass er sie zum Abschied ungestört umarmen und ihr, Wange an Wange, ins Ohr flüstern könnte: Wie soll ich diese Woche ohne dich überleben?

(Weiter in ‚Inge – 2‘.)

© Günther Stark 2021-02-17

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