von Annemarie Hülber
Wenn Freunde aus Deutschland oder dem nahen Wien nach Perchtoldsdorf zu Besuch kommen, dann wollen sie auf die Heide oder in den Wienerwald. Und danach nur eines: ins Kaffeehaus auf eine Jause, oder zum Heurigen. Im besten Fall beides.
k. und k. Hofzuckerbäckerei steht über dem Eingang der Konditorei in der Wienergasse 16. Schon diese Bezeichnung klingt nach Zuckerguss, duftet nach Kaffee und verbreitet nobles Flair. Ich kenne dieses Café noch unter dem Namen Krämer. Mein Cousin, der bei uns gewohnt hat, hat dort seine Konditorlehre gemacht. In den 1960er-Jahren. An Samstagen hat er oft etwas von nicht mehr ganz frischer oder zerdrückter Ware nach Hause mitnehmen dürfen: Krapfen, Biskuitrouladen oder Indianer. Wir haben uns wie im Paradies gefühlt. Auch heute ist es für mich etwas Besonderes, in dieses Café zu gehen. Man sitzt in bequemen Polstermöbeln, plaudert oder liest Zeitung. Man trinkt Kaffee. Also nicht einfach Kaffee, nein, man muss schon sagen, was man möchte: Melange, Einspänner, kleinen Schwarzen, großen Braunen, die Liste ist lange. Hier kann man Kaffeehauskultur genießen.
Wenn man keine süße Jause mag, oder nach dem süßen Genuss etwas Deftiges braucht, geht man zum Heurigen. Wer ausg’steckt hat, erfährt man von Tafeln, die im Gemeindegebiet aufgestellt sind. ‘Rauschbaum’ sagen die Auskenner dazu. Wer modern ist, hat die Heurigenkalender-App am Handy. Ich muss zugeben, das ist praktisch.
Meine Eltern waren keine großen Heurigen-Geher. Ich kann mich erinnern, dass in unserem Viertel ein Heurigenlokal war. Der Bindl. Wenn am Wochenende Besuch kam, wurden mein Bruder und ich zum Bindl geschickt, um einen Doppler Wein zu holen. Dann gab es im Ort noch ein Geschäft namens Stelzen-Werner. Ein Geschäft für Heurigenproviant. Damals konnte man noch selbst Essen zum Heurigen mitbringen. Beim Werner gab es lauter feine Sachen, aber für die Stelzen war er berühmt. Knusprige Schwarte, saftiges, mageres Fleisch. Oder man hat von zu Hause ein kaltes Schnitzel mitgenommen.
Heute bieten alle Heurigenlokale ein umfangreiches, sehr schmackhaftes Buffet. Die Entscheidung zwischen Surschnitzerl, Henderl, Schweinsbraten und Gemüseauflauf fällt schwer. Oder doch lieber ein gutes Bauernbrot und ein paar Aufstriche? Dazu natürlich ein Glaserl Wein. Da sind sie Spitze, unsere Weinhauer. Im Herbst, nach der Lese, gibt es natürlich auch Most und Sturm. Man darf aber nicht den Fehler machen, beim Anstoßen mit Most und Sturm ‘Prost’ zu sagen. Könnte sein, dass man dann die nächste Runde zahlen muss. Alles, was nicht fertiger Wein ist, wird mit ‘Mahlzeit’ getrunken.
Leute, die regelmäßig zum Heurigen gehen, haben natürlich ihre Favoriten. Man geht dann zum Dargoner, zum Guga, zum Tiger oder einfach zum Franzi oder zur Resi. Und nach Hause kommt man mit Bus, Bahn oder Ortstaxi, man will den Heurigenbesuch ja nicht bereuen.
Es lässt sich schon gut leben in Niederösterreich, am Stadtrand von Wien, in Perchtoldsdorf.
© Annemarie Hülber 2022-10-19