von Anatolie
âFleisch, Fleisch!“ Mit ĂŒbermĂŒtigem Gejohle kamen wildfremde Kerle aus ihren Bambusbehausungen gekrochen und nahmen uns vier MĂ€dels stĂŒrmisch umarmend in Beschlag. Um Himmels willen, wo war ich da nur hingeraten? Beinahe bereute ich es schon, auf dieses Abenteuer mitgekommen zu sein. Wir hatten beim ersten Camping an der Biege zu Mylopotas Beach eingecheckt. Die Zelte standen dicht an dicht, dazwischen erschwerte ein wirres Geflecht an WĂ€scheleinen den Durchgang. Wir quartierten uns zu den „Hardlinern“, welche auf Bambus-ĂŒberdachten Betonsockeln schliefen, ihre Matten Ălsardinen-artig nebeneinander aufgereiht. Die ĂŒberwiegende Zeit, von mittags bis zum frĂŒhen Hahnenschrei, waren die meisten tatsĂ€chlich „im Ăl“. Booze Cruises und Melonenpartys am Strand waren die absoluten Renner. Susi kam nachmittags von ihrem ersten Sonnenbad, freudestrahlend und glĂŒhend rot wie ein Dreiminutenkrebs. Ihre milchig weiĂe Haut verzieh keine Sorglosigkeit und sie musste eine zweitĂ€gige Strandpause einlegen. Paula und Ines trafen einige Freundinnen vom Vorjahr. Ich lieĂ mich von der fröhlich-ausgelassenen Stimmung anstecken und hatte meinen anfĂ€nglichen „Kulturschock“ bald vergessen.
Im Viertelstundentakt rief ein Bus mit lautem Gehupe zum nĂ€chtlichen VergnĂŒgen „ins Dorf“, wie wir den Ortskern am Berggipfel nannten. Im Rock Club „Pegasus“ ging bei Guns N` Roses und Nirvana die Post ab. Ich traf dort einen jungen Wiener, der wie ein Engerl aussah mit seinem blond gelockten Haar. Wir tanzten ausgelassen zu den Beats, spazierten dann ĂŒber schmale Gassen und fanden ein lauschiges PlĂ€tzchen bei den WindmĂŒhlen. Die lauwarme Nacht und das Sternenfunkeln ĂŒber uns taten ihr ĂŒbriges, ich gab mich ganz der romantischen Stimmung hin. Wir quatschten ĂŒber Gott und die Welt, und am Ende wollte Markus mehr, doch mir war nicht danach, mit ihm ins Hotel zu gehen. Wir verabschiedeten uns am frĂŒhen Morgen. „Also, bis spĂ€ter am Strand“. Aber da, und auch abends im Club, suchte ich ihn vergebens. Etwas widerwillig verriet mir einer seiner Freunde deren Unterkunft. Sie lag am Hafen, am anderen Ende der StraĂe.
Markus fand ich biertrinkend mit zwei Kumpels auf deren Balkon. HĂ€misch grinsend baffte er mich an: âHabÂŽ kan Bock auf so was. Bin schlieĂlich auf Urlaub da und nicht auf Flitterwochenâ. Den ganzen steilen Weg, vom Hafen bis hinauf ins Dorf, musste ich nun wieder zu FuĂ zurĂŒcklatschen. Im Ort gabelte mich Susi auf, die gerade hinunter ins Camping spazierte. âAch Menschâ, seufzte Susi und reichte mir eine Zigarette. Wir setzten uns an eine Hausmauer, schauten hinunter zum Strand. Sanfte Wellen umspielten die Bucht wie zĂ€hes Blei im DĂ€mmerlicht des neuen Morgens. âGuck mal wie schön hier alles ist! Was Ă€rgerst du dich so wegen eines blöden Typens? Sei froh dass du ihn los bist! Der hĂ€tte dich doch nur fĂŒr die Kiste gebrauchtâ.
Ja, dieses Paradies lockte mit Freiheit und wilder Romantik. Es war aber nichts fĂŒr naive, zartbesaitete Geister.
© Anatolie 2021-07-12