„Jetzt reicht es aber auch mal wieder!“, stoße ich entnervt hervor, während ich meinen grünen Wollpullover aus den Untiefen des Kleiderschranks krame. Quietschend schließt sich die Schranktür und eine junge Frau, mit braunen Locken, die ihr wild vom Kopf abstehen, blickt mich wütend auf dem Spiegel heraus an, den Pullover in der Hand und die Sonne, welche durch das Fenster scheint, im Rücken. Sonnenschein, was für eine Ironie. Die leuchtend gelbe Scheibe dort oben gaukelt mir ihre Existenz doch nur vor, denn auch wenn der blaue Himmel etwas anderes vermuten lässt, draußen sind es nur -3,5 Grad. Langsam falte ich den Pullover wieder zusammen, wiege ihn in den Händen, lasse ihn von meiner Rechten, in die linke Hand gleiten, halte noch einen Moment inne und werfe ihn schwungvoll gegen die Wand, hinter mein Bett.
Ich hätte jetzt gut und gerne Lust, sämtliche Winterklamotten in die nächstbeste Kiste zu verfrachten, nur um sie in der hinter letzten Ecke unseres Dachbodens auf ewig einstauben zu lassen. Als könnte ich den Frühling somit zwangsweise heraufbeschwören. Als könnte die reine Nicht-Existenz von jahreszeittauglicher Bekleidung, dem Frost, der die Wiese vor dem Haus märchenhaft glitzern lässt, oder gar dem Bibbern und Zittern, an der Bushaltestelle unseres Dorfes, wo die Busse chronische Zu-spät-Kommer sind und man sich immer 10 Minuten mehr als nötig die Beine in den Bauch stehen muss, ein Ende bereiten. Ich mag den Winter. Wirklich. Ich liebe es, wenn die zarten, weißen Flocken alles sacht bedecken, die Welt stiller machen und ihr die Härte nehmen, weil jeder noch so spitze Zaunpfahl plötzlich niedlich erscheint, sobald er ein weißes, bauschiges Mützchen trägt. Sanft und weich wirkt die Welt in dieser Zeit. Aber im Ernst, an wie vielen Tagen des Winters können wir uns noch an einer solchen Schneepracht erfreuen? Stichwort Klimawandel, Stichwort globale Erwärmung.
Wir leben doch jetzt schon in einer Zeit, in der sich die Erzählungen von schneereichen Wintern wie Geschichten anhören, die unsere Großeltern zum Besten geben, während sie, die Beine unter der schweren Wolldecke versteckt, von dem Kamin, in ihren Schaukelstühlen stetig hin und her wippen. Vielleicht sollte ich meine Aussage überdenken. Ich mag den Winter nämlich irgendwie so ganz und gar nicht. Lediglich den Schnee kann ich gut leiden. Aber auch den maximal von meinem Platz am Fenster aus, direkt an die Heizung gekuschelt, mit einer heißen Tasse Tee in der Hand.
© Alexandra Pauline 2025-02-05