Irgendwas mit G

Klaus P. Achleitner

von Klaus P. Achleitner

Story

Ronny, der Barkeeper, steht hinterm Tresen und wischt Weingläser trocken, während er auf den Bildschirm starrt. Sportnachrichten vom Tag. Skirennläufer stürzen sich eine eisige Piste hinunter, fädeln sich zwischen blauen und roten Toren hindurch.

„Die Scheiss-Corona-Regeln werden scho wieda vaschärft“, spricht der Dreitagesbartträger von der anderen Seite des Tresens. „Jetzt derf nur mehr zum Wirt oda auf Veranstaltungen, wer g’impft oder Chinese is. Sauerei!“ Ein leichtes Lallen in der Stimme ist nicht zu überhören. Kein Wunder, sitzt der Mann doch schon beim vierten Bier und war schon illuminiert, als er zur Tür hereinkam.

„Ned woahr“, fragt Ronny gelangweilt. Man soll hin und wieder mit seinen Gästen parlieren, besonders wenn einem fad ist. „Doch, gaunz sicher“, insistiert der Gast, „hat der Mann im Fernsehen, der dings, der Moderator, g’sogt! Geimpft oder Chinese!“

Ein Norweger nimmt das letzte Tor von der falschen Seite und wird trotz Bestzeit disqualifiziert. Die Szene wird immer wieder in SloMo gezeigt, offenbar der Höhepunkt des Tages aus sportlicher Sicht. Norwegen soll ein schönes Land sein, denkt Ronny der Barkeeper. Schon immer wollte er zum Nordkap, am liebsten auf seiner Kawasaki und mit der Suzy am Sozius, aber derzeit sind Reisen etwas schwierig.

„I trau den Behörden ned, oba diese Meldung kommt mir doch spanisch, um ned zu sagen, chinesisch vor“, sagt Ronny mehr zu sich selbst. Der Gast im mittleren Alter stiert in sein halb leeres Glas. „Dabei kummt des Virus doch von den Chinesen“, versichert der. „Und jetzt werdn de nu bevorzugt behaundelt, selbst wenn’s goa ned g’impft san!“

Ronny geht im Geist durch, wie viele Chinesen er in Österreich kennt und wann er das letzte Mal im einzigen China-Restaurant der Gegend Peking-Ente gespeist hat. Und Gäste aus dem asiatischen Raum sind derzeit dünner gesät als das Haupthaar von Mr. Proper. Was sollte diese Bestimmung für einen Sinn ergeben?

Der Gast greift mit einer fahrigen Bewegung zum Bierglas und schüttet sich den Rest in die Kehle. Ronny der Barkeeper ist bereit, eine weitere Bestellung abzuschmettern, denn es ist bereits pandemische Sperrstunde. Der Mann aber hat genug, zahlt und klettert vom Hocker. „Bald is Joahreswechsel. Ich hasse Silvester. Do trinken a die Amateure. Hot da dings, der Berliner Entertainer, g’sogt!“. Der Gast torkelt Richtung Tür und ruft „Guat gaunga des Joahr, guaten Rutsch!“

Da dämmert es Ronny, während er das letzte Glas kopfüber in die Halterung hängt. „Du meinst 2G. Geimpft oder GENESEN? Ned CHINESEN?“ Der Mann dreht sich, die Türklinke schon in der Hand, nochmal um und schaut Ronny entgeistert an. „Jo, wos was i, der dings, der Moderator, hot so undeitlich g’redt. Daun hoit genesen! Irgendwos mit G hoit! Habedere!“

Ronny sperrt die Eingangstür ab und macht sich an die Abrechnung. Sein Bedarf an Barphilosophen ist gedeckt. Nordkap. Da will er hin, auf seiner Kawa mitsamt der Suzy hinten drauf, je früher, desto lieber.

© Klaus P. Achleitner 2022-01-07

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