Zehn Tage nach unserer österreichischen Hochzeit reiste mein Mann wieder ab. Vor uns lagen mehr als drei Monate getrenntes Eheleben, das nicht nur von Warten geprägt war, sondern auch von weiteren Planungen. Denn mein Mann hatte beschlossen, seine 26 Jahre Kapstadt hinter sich zu lassen und nach Österreich zu übersiedeln. Hatte ich das von ihm verlangt? Nein. Ich wäre durchaus bereit gewesen, eine Ehe auf der Basis unserer Fernbeziehung fortzuführen. Doch für Rew war das keine Option. Für ihn war und ist die Ehe eine Art heiliger Pakt, den es mit Leben zu erfüllen gilt. Dass seine erste Ehe in die Brüche ging, hatte ihn schwer getroffen; jetzt wollte er mehr denn je alles richtig machen. Und dazu gehörte für ihn, an einem Ort mit seiner Frau zu leben.
Ich war offen für seine Pläne und recherchierte mich wieder einmal um Kopf und Kragen, wie vor unserer Hochzeit. Denn nach dem Brexit einen Engländer in Österreich zu integrieren, macht in etwa so viele Umstände wie jemanden aus einem anderen Drittstaat, beispielsweise Angola, Haiti oder der Türkei. Der Paragraphenritt für unsere Hochzeit hatte mich restistent und renitent gemacht hinsichtlich der bequemen österreichischen Konzepte einer Einwanderung, weshalb ich es einfach nicht hinnehmen wollte, dass ich mit meinem Mann einen Mietvertrag abschließen sollte oder er hier in Österreich nicht arbeiten durfte. Um die lange Geschichte kurz zu machen: Ich fand einen Weg. Allerdings musste ich den Behörden erklären, dass es diesen Weg gab. Ersparen Sie mir die Details. Doch schlussendlich hatte mein Mann den Aufenthaltsstatus, der ihm zusteht. Plus heimischen Führerschein.
Während dieser Wochen der unterschiedlichen Kämpfen mit der heimischen Bürokratie wurde mir klar, wie sehr wir uns einander verpflichtet fühlten. Und das war kein zwanghafter Ehrgeiz, nichts Mühsames oder Anstrengendes, sondern geboren aus der Zugewandtheit für den jeweils anderen Menschen. Von Anfang an wollten wir das Leben des/der anderen bereichern, jetzt warfen wir alles auf die Waagschale und versuchten, sie auszubalancieren. Dabei half uns, was wir schon in den Monaten vorher neu kennenlernen durften, nämlich etwas annehmen zu dürfen. Wir beide waren und sind Menschen, die immer und viel geben. Doch innerhalb unserer Beziehung stellten wir fest, dass wir uns auch einmal zurücklehnen und den/die Partner:in machen lassen durften. Das fiel insofern leicht, als uns beiden Manipulation fern liegt und wir in absolutem Wohlwollen stets davon ausgehen, dass das Gegenüber im besten Sinne für uns handelt. Vertrauen hilft natürlich auch.
Im Dezember kam Rew wieder nach Österreich, ich folgte ihm nach Weihnachten zum letzten Mal vor seiner Abreise nach Kapstadt. Dort feierten wir an dem Strand, wo er mir einen offiziellen Heiratsantrag gemacht hatte, eine zweite Hochzeit. Mit seinen Kindern, meiner Trauzeugin und ihrer Familie sowie meinem bislang Jüngsten und seiner Freundin. Den Großteil der Hochzeitsgäste stellte aber die Familie von Rews Ex-Frau, was absolut wunderbar und auch konsequent für unsere neue Regenbogenfamilie war. Menschen von zwei Kontinenten, die sich noch nie gesehen hatten, feierten miteinander und bezeugten noch einmal, dass Liebe alles möglich macht. Nach einem Monat reiste ich wieder ab – alleine.
© Claudia Dabringer 2025-06-29