Irgendwo im Nirgendwo

Astrid S.

von Astrid S.

Story

Da sitz ich nun mitten im dunklen Nirgendwo im einsamen Waldhaus-Bett unter dem Moskitonetz mit Kerze und Fragebögen, und bereite mich auf meine ersten Interviews für den nächsten Tag vor. Große Ablenkung durch die Tierchen, die herumfliegen oder am Boden kriechen – Caterpillar, riesen Heuschrecken und dergleichen.

Meine Diplomarbeit steht an und ich habe ein Forschungsstipendium ergattert! 3 Monate Zanzibar. Thema „Soft Tourism“ – ob und wie eine touristische Entwicklung (bzw. das geplante Projekt) im Naturreservat Ngezi anzustreben ist.

Das recht unbekannte Pemba – auch die “grüne Insel” oder “Nelkeninsel” genannt – gehört zu Zanzibar, steht aber seit jeher im Schatten der sehr touristischen Hauptinsel „Unguja“. Weitgehendst unberührt von Tourismus, auch von moderner Infrastruktur und Netzanbindung, hat es sich seinen Ur-Charme erhalten. Einzigartig (noch) intaktes Natur- und Taucherparadies. Sehr ruhiges, bescheidenes Leben. 90 % Islam – täglich mächtiger Weckruf des Muezzin im Morgengrauen – anfangs sehr gewöhnungsbedürftig – später dann tatsächlich meditativ und Alltags-Element.

Pünktlich um 7 Uhr – um später der großen Hitze zu entkommen – holt mich mein Dolmetscher mit dem Moped ab. Es geht hinein in den Wald, vorbei an einigen der 300 verschiedenen Baumspezies, 2 versteckten Teichen, einer alten Mühle, dem Grab eines berühmten spirituellen Führers und anderen mystischen Höhlen und Ruinen, bis wir am anderen Ende beim schönen Muschel-Strand hinauskommen. Oben auf dem Hügel ragt seit 1900 der Leuchtturm, heute solarbetrieben.

Und natürlich geht es zu den Dörfern im Naturreservat. Überall neugierige Blicke, überall Gastfreundschaft – eine Kleinigkeit hier zum Essen, ein Tee da, eine Einladung in die schattige Hütte dort. Ganz einfache Hütten, die Menschen FarmerInnen. Die Frauen wirkliche „Wonder Women“ im Alltag, aber meist schüchtern & verlegen im Gespräch. Faszinierende Eindrücke, weise Gedanken und interessante Interviews – auch wenn mein hart erlerntes Swahili leider nicht ausreicht für tiefere, direkte Konversationen ohne Übersetzung.

Als kleines Sprachrohr kann ich nur sagen, dass sich alle mehr Einkommensmöglichkeiten, Stillung der Grundbedürfnisse, Bildungs- & Trainingsangebote wünschen. Aber nicht zu jedem Preis. Mitbestimmung, Kultur & Natur müssen trotzdem vom Tourismus bewahrt werden (nicht wie auf der “Schwesterninsel”). Bitte keine Gäste, die „half naked“ im Dorf herumspazieren, Aufregung verbreiten und ihren Müll dalassen. Das steht nicht im Einklang mit diesem Fleckchen Welt. Reisen sollte interkulturelles Verständnis & Respekt fördern, und BewohnerInnen dürfen nicht übergangen werden.

Nach 5 Tagen im Wald, täglichen Moped-Ausflügen & Interviews, bekomme ich Malaria. Zum Glück eine leichte Form, aber ich muss mich verabschieden vom geheimnisvollen Nirgendwo, und weiter in die Stadt ziehen.

Wie sich wohl alles entwickelt hat? Pemba, nakuja!

© Astrid S. 2021-01-19