Irish Coffee

Jökull

von Jökull

Story

Es handelt sich ohne Zweifel um eine irische Erfindung. Sogar um eine mit einem gewissen Alleinstellungsmerkmal. Schwarzes Bier gibt es auch woanders. Pullover aus Schafwolle, Whisky, Tweed oder gute Literatur auch. Am ehesten passt vielleicht der Vergleich mit der unvergleichlichen irischen Volksmusik. Letztere hat sich über Jahrhunderte entwickelt. Dagegen war Irish Coffee quasi über Nacht da. Insofern hinkt auch dieser Vergleich.

Unser Charterflieger startet in Düsseldorf. Das Ziel ist der Shannon International Airport in Irlands Westen. Wir gehören zu einer Gruppe, die anlässlich des 20. Jubiläums des Reiseveranstalters von Preisen wie vor zwanzig Jahren profitiert. Flug und eine Woche Mietwagen kosten nur 200 Mark, damit das Zahlenspiel aufgeht.

Nach der Ankunft wird die Gruppe in einen Konferenzraum geleitet. Es heißt, die Direktion hätte sich zur Feier des Tages etwas einfallen lassen. Neben der Flughafenleitung erscheinen Repräsentanten aus der Touristik und Gastronomie. Auf den Tisch liegen Taschen mit Reisebroschüren und Karten. Dazu gibt es Minifläschchen mit irischem Whiskey als Wegzehrung.

Aus erster Hand erfahren wir mehr über die Geschichte des Flughafens. Dieser war lange ein Drehkreuz der Luftfahrt. Den Flugpionieren folgten bald in Serie gebaute Flugzeuge. Diese ermöglichten die ersten Linienverbindungen über den Atlantik. Zuerst hatten die Maschinen noch nicht die Reichweite für Nonstop-Flüge. In Neufundland im Osten Kanadas wurde mit dem Flughafenbau begonnen. Auch in Shannon, dem nächstgelegenen Ort in Europa, wurde einer gebaut. Hier wurde bei Zwischenstopps nachgetankt und bei Bedarf auch repariert. Die Passagiere mussten aussteigen und bis zum Weiterflug ins Terminal.

Anfang der Vierziger soll es entlang der Transatlantik-Route starke Schneefälle gegeben haben. Dadurch kam der Flugverkehr erheblich ins Stocken. Tausende Fluggäste hingen in Shannon fest. Ein baldiger Weiterflug zeichnete sich nicht ab. So war die Stimmung bald auf dem Tiefpunkt. Immerhin hatte die Gastronomie trotz Weltkrieg genug Trinkbares gebunkert und konnte improvisieren. So ersann ein Barkeeper in der Not einen genialen Drink.

Während des Vortrags wurde eine provisorische Bar hereingefahren. Barkeeper sollten die Zubereitung demonstrieren. Und die geht so: Zwei Teelöffel Zucker werden in einem hitzebeständigen Irish-Coffee-Glas karamellisiert. Dazu hält man es über die Flamme eines Spiritusbrenners. Unter Wärme werden 3–4 cl Irish Whiskey hinzugefügt. Anschließend wird heißer Kaffee aufgegossen. Zum Schluss wird leicht geschlagene Sahne über einen Löffel darüber gegeben. Dadurch vermeidet man, dass sich Kaffee und Sahne vermischen. Irish Coffee wird weder gerührt noch geschüttelt, sondern durch die kühle Sahne geschlürft.

Ich hätte an diesem historischen Ort gern noch länger verkostet. Dann aber hätte ich bei der Übergabe des Mietwagens ein Problem gehabt.

© Jökull 2021-02-22

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