von VreNee
Ich schmunzle innerlich..Die gestrige Schreibwerkstatt war wie immer toll. Dass ich beim Ziehen eines Zufallssbildes, zu dem ich eine Geschichte schreiben soll, ein Bild von einem Bett bekomme das gerade im Meer versinkt finde ich nun doch sehr ironisch.Nicht Schlafen und absaufen träfe meine aktuelle Situation besser.Meine Gedanken schweifen ab. Sollte ich das Bild nicht eher positiv interpretieren? Es zumindest versuchen? Das Bild ist schlieĂźlich hĂĽbsch, sogar fröhlich und das Bett sieht echt toll aus,.. wie aus diesen kitschigen deutschen Sepia-Filter-Filmen in denen eine Lichterkette ganz unaufgeregt und improvisiert im Boho-Stil unter dem Himmel ebendieses Bettes prangt. Die eigentlich wunderschöne Hauptdarstellerin, die nur fĂĽr den Film und selbstverständlich nur kurzfristig, bis sie sich selbst (wieder-) entdeckt, immer ein bisschen abgewrackt gestylt wird, schlĂĽrft genĂĽsslich ihren funky Cold-Brew-Kaffee. In ihrem noch viel funkyeren GroĂźstadtloft, das mit „Live-Laugh-Love“-Messages vollgepflastert ist, gedeiht ein Pflanzenparadies, das direkt in einen verträumten Hinterhof ĂĽbergeht. Die Kamera schwenkt zum Old-school-Radio auf der Fensterbank und „I don’t care“ von Icona Pop ertönt. Mit einem weiteren Weitwinkel-Shot schneidet die Kamera nun auf die vom Song aufgepeitschte Hauptdarstellerin – wir nennen sie hier mal „Lucy“ – und zeigt uns wie sie im WhatsApp-Gruppenchat ihrer Mädelsgruppe, den „BerlinCityBiatches“, eine Nachricht schickt, weil sie am heutigen Dienstag „unbedingt mal so richtig die Sau rauslassen“ möchte. Innerhalb von Sekunden antworten alle Gruppenmitglieder der BerlinCityBiatches mit BegeisterungsstĂĽrmen – auĂźer Carolin. Genau wie ihr Name ist Carolin nämlich langweilig und arbeitet auf dem Finanzamt.. Lucy kann das ja gar nicht verstehen – sie ist in ihrem Open-Work-Space des Start-ups, fĂĽr das sie arbeitet auf so altmodische Sachen wie fixe Arbeitszeiten oder -orte nicht angewiesen. Das Handyverbot, das in Carolins Finanzschuppen gilt, empfinden auch die Girls aus der WhatsApp Gruppe als VerstoĂź gegen die Menschenrechte. Als der Treffpunkt, das BARcelona, fĂĽr die After-Work-Happy-Hour vereinbart ist, schält sich unsere Hauptdarstellerin aus ihrem vom Trödelmarkt erworbenen Unikat-Sessel, stellt ihre in Israel erworbene Kaffeetasse in die SpĂĽle und geht ins Vorzimmer. GroĂźe, gerahmte Poster von Kunstausstellungen und Konzerten – selbstverständlich nur von den wirklich guten, authentischen – Lucy hasst Sell-Outs – geben dem Raum einen kĂĽnstlerischen Touch. Schnell wird noch ein dicker Loop-Schal drapiert und die neuen Kicks angezogen und schon gehts los in die City.. natĂĽrlich auf einem charmanten, etwas älteren Drahtesel, den sie sich mit der Nachbarin von der Wohnung oben teilt.Auch ich sitze auf dem Fahrrad. Und muss schon wieder schmunzeln. Ironisch denken? Kann ich. Positiv denken? Das muss ich wohl noch ein wenig ĂĽben…
© VreNee 2022-03-03