Issues

Annika Herda

von Annika Herda

Story
Oberösterreich 2023

Die Sache mit den Selbstzweifeln ist ja die, sie kommen immer dann, wenns am ungünstigsten ist. Immer dann, wenn das Nervenkostüm ohnehin schon dünn wie Zahnseide und die eigene Körperwahrnehmung total verzerrt ist. Besonders helle Leuchten wie ich neigen dann zu selbstzerstörerischen Gedanken, vergleichen sich mit allen anderen und fühlen sich in ihren Selbstzweifeln natürlich total bestätigt. Heißer Tipp: Mit noch hängendem postpartum-Bauch empfiehlt sich das Stalken der uuuuultra sexy Exfreundin des Partners auf social Media nicht (folgt mir für noch mehr bahnbrechende Selbstfürsorge-Lifehacks). 

Bin ich eine gute Mama? Bin ich noch eine liebenswerte Freundin? Pflege ich meine sozialen Kontakte genügend? Und räume ich mir genügend Me-Time ein? Stand jetzt würde ich alles getrost verneinen! Das schlechte Gewissen drückt unaufhörlich, wenn ich das Töchterchen beim drölftausendsten Wutanfall anfahre und meinem Freund sage ich zu selten, dass ich ihn liebe! Ich habe etliche seit Wochen unbeantwortete WhatsApp-Nachrichten und Me-Time ist momentan hirnloses scrollen auf Instagram, weil für alles andere die Energie fehlt.

Die Gefühlslage schwankt zwischen kompletter Überforderung und der Sorge, dass bereits sämtliche Hirnzellen durch stupide Wiederholung der üblichen Mama-Tasks abgestorben sind (stillen, wickeln, stillen, wickeln, stillen, umziehen, weil eine Windel ausgelaufen ist, stillen, wickeln… ich denke, man weiß, wo das hinführt… richtig: stillen und wickeln). Viele Eltern kennen die „irrationale“ Angst, ob das Baby noch atmet, wenn es mal länger als zwei Stunden im Bettchen schläft. Musste man bereits zweimal mitansehen, dass es wirklich um Leben und Tod ging, ist die Panik ein kleines bisschen verschärft. In den seltenen Fällen, in denen Ruhe herrscht, gibt es also auch wenig Zeit zum Durchatmen.

Es grüßt täglich das Murmeltier und doch hangelt man sich irgendwie von Wochenende zu Wochenende um selbst mal das Gefühl von „Feierabend“ zu haben. Es fließen Tränen, weil das Baby viiiiiel zu schnell wächst, während man sich im nächsten Moment in die Faust beißt, um nicht laut aufzubrüllen, weil sie einfach schon wieder wach ist und man hofft, dass sie endlich durchschläft.

Während ich also versuche eine bessere Mama zu sein, meinem alten Körper nachtrauere, schlechtes Gewissen alles und jedem gegenüber habe und ich meine Beziehung durch die etlichen Zweifel selbst sabotiere, klammere ich mich an das Lächeln meiner Tochter und den Gedanken: morgen mach ich es besser….

© Annika Herda 2023-11-02

Genres
Biografien
Stimmung
Challenging