von lavoce
Seit gefühlten Stunden drücke ich meine Nase an der Fensterscheibe platt. Beobachte. Dich. Meinen heimlichen Verführer.
Anmutig tänzelst du vor meinen Augen. Frech, locker-flockig, unheimlich anziehend. Soll ich die warme, gemütliche Stube verlassen und dir Gesellschaft leisten? Wieso reizt, drängt es mich, dich zu berühren, dich unter meinen Fingerspitzen, auf meiner Haut zu spüren, deine kühle Fassade bröckeln, dich unter meinen Zärtlichkeiten schmelzen zu sehen? Leidenschaft? Begierde? Sucht?
Warum versuche ich, mich dagegen zu wehren? Um meines guten Rufes willen? Aus Angst vor übler Nachrede? Dorftratsch?
Als ob mein Treiben, unser Treiben, irgendjemand tangieren, interessieren würde. Und überhaupt: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert.
Rasch ziehe ich mich an, eile dir entgegen. Du erwartest mich an der Eingangstür.
Dein frischer, dir ureigener Duft steigt mir in die Nase. Ich atme tief ein, inhaliere. Könnte mich in dir verlieren. Breite meine Arme aus. Versuche, dich zu umarmen. Einzufangen. Ein Ding der Unmöglichkeit. Du taugst nicht für Beständigkeit.
Du lässt dich mit dem Wind treiben. Ich folge dir. Laufe mit dir um die Wette. Wir drehen uns im Kreis. Tanzen. Zart berührst du meine Wange. Streifst sanft meinen Mund. Langsam öffne ich meine Lippen, um dir Einlass zu gewähren.
Ich schmelze. Du schmilzt. Wir verschmelzen. Ich will mehr. Von dir. Versinke. In dir. Trotz deines kühlen Äußeren wird mir ganz warm. Ums Herz.
Und doch weiß ich, dass das mit uns nichts Dauerhaftes ist. Macht das den Reiz unserer Beziehung aus? Du kommst, du gehst, wie es dir gefällt. Ein halbes Jahr bist du von der Erdoberfläche verschwunden. Warum sehne ich mich dennoch nach dir?
Vielleicht liegt es an den Genen? SteirerInnen-Genen.
Unser Herz schlägt von Geburt an für dich. Brennt. Lodert für dich. Ein Verlangen, eine Sehnsucht, die nur du stillen kannst.
Du, unser geliebtes weißes Gold, auch Schnee genannt …
© lavoce 2023-02-14