Ist Teetrinken denn gleich Teetrinken?

Viktoria Oparjan

von Viktoria Oparjan

Story

Ich schalte den Wasserkocher ein. Vielleicht sollte ich ihn mal wieder entkalken? Ein Teebeutel in die Tasse und heißes Wasser drauf.

Ich bin nicht heikel was Tee anbelangt. Auch heißes Wasser reicht mir eigentlich schon.

Tee ist für mich ein Teil meines Alltags.

Ich habe einmal gelesen, dass es bei Tee darauf ankommt, wie heiß das Wasser ist, welche Teeblätter man nimmt (Teebeutel sind anscheinend kein richtiger Tee) und vor allem wie lange der Tee zieht.

Hmm, denke ich mir und stelle fest, dass mein Teebeutel schon mehr als 10 Minuten im heißen Wasser hängt.

Ich suche im Internet nach Teezeremonien. Diese besteht laut einer Quelle aus 15 Schritten. All diesen Schritten gemein ist die absolute Konzentration auf die Handlung.

Hmm, denke ich mir wieder und trinke nebenbei aus meiner Tasse.

Ist Tee trinken denn jetzt gleich Tee trinken, oder doch nicht?

Ich wage den Selbstversuch (zugegeben auch dieses Mal mit einem Teebeutel) und koche mir noch einmal Wasser auf. Dieses Mal im Kochtopf (wegen dem Kalk im Wasserkocher) und mit meinem Küchenthermometer. Genau 100° soll das Wasser haben. Ich gieße es in meine Tasse und stelle mir den Timer am Handy. 3-5 Minuten soll der Tee ziehen – ich entscheide mich für 4 Minuten (wird schon passen).

Nach diesen 4 Minuten nehme ich meine Tasse und setze mich an den Tisch.

Ganz vorsichtig nehme ich den ersten Schluck – der Tee ist wirklich heiß. Irgendwie schmeckt er wie immer, oder doch nicht?

Ich versuche dem Schluck Tee durch meinen Körper zu folgen. Langsam nehme ich einen zweiten Schluck. Dann einen dritten. Mittlerweile sind schon einige Minuten vergangen und ich fühle mich so ruhig wie schon lange nicht mehr.

Ist es der Tee, der richtig aufgebrüht wurde? Oder doch nur meine ungeteilte Aufmerksamkeit, die mich entspannt?

Wenn das schon mit einem Teebeutel funktioniert, wie toll muss das dann mit „richtigen“ Teeblättern sein?

Langsam wird meine Tasse leer und zum ersten Mal nehme ich meine Umgebung wieder wahr.

Das ist die Magie der kleinen Dinge, denke ich und mache mir noch eine Tasse Tee (die ich aber dann doch wieder einfach nebenbei trinke).

„Möchtest du gleich ein Abenteuer erleben oder lieber erst Tee trinken?‘, fragte Peter.

‚Zuerst den Tee!‘, sagte Wendy schnell. „

So soll es sein, denke ich mir.

© Viktoria Oparjan 2020-11-26