von Klaus Schedler
Wien, im Dezember 1974. Ich schrieb an meiner Dissertation und normalerweise bedeutete das, dass ich die Tage am Großrechner im „NIG“ der Uni vis a vis vom Institut verbrachte und am Abend in meiner „Bude“ den Erkenntnisstand zu Papier brachte. Ständig fielen mir Verbesserungen für den überlieferten Algorithmus ein, die ich überprüfen wollte. Schließlich hatte ich sogar ein alternatives, nach meiner Meinung besonders elegantes Lösungsverfahren entwickelt. Dieses Verfahren musste aber noch vollständig programmiert werden und tatsächlich führte es zu absolut vergleichbaren Ergebnissen. Das alles würde aber noch einige Monate dauern.
Mein äußerer Tagesablauf war eintönig, lediglich unterbrochen vom Mittagessen in der Mensa bei der katholischen Hochschulgemeinde. Weil es aber immer kälter wurde und ich meine „Bude“ nicht heizte, kürzte ich die Rechenzeiten, um danach noch in der Institutsbibliothek alles zu Papier zu bringen. Danach machte ich mich in der Dunkelheit zu Fuß auf den Heimweg in die Neustiftgasse, aß dort in der Kälte noch zwei Brote und legte mich bald ins wärmende Bett. Unglaublich, wie kalt es in meinem Zimmer werden konnte. Ich hatte zwar einen Ofen, aber Kohlen kosten Geld, machen Dreck und nur für eine Nacht zu heizen, war mir die Sache nicht wert.
War es aber wirklich unerträglich kalt, gab es eine Ausweichmöglichkeit: In etwa 10 Minuten Entfernung gab es ein winziges, bereits mächtig in die Jahre gekommenes Kino, das bei günstigem Eintritt fast ausschließlich alte Filme zeigte. Ausnahmsweise gönnte ich mir dann einen Besuch im Kino. Denn dort war gut geheizt. Meist saß ich ganz vorn in der ersten Reihe. Klar, denn da waren nicht nur die billigsten Plätze, sondern es war dort auch am wärmsten.
Ich erinnere mich noch gut an meinen allerersten Besuch im „Admiral“: Durchgefroren wie ich war ging ich in die Vorstellung: Hitchcocks „Der Mann, der zuviel wusste“ Bereits nach weniger als 15 Minuten war ich in der wohlig angenehmen Atmosphäre eingeschlummert und wurde erst wieder wach, als Jo McKenna (Doris Day) das Erkennungslied „Que Sera, Sera“ sang. Ich bin nicht sentimental, aber da ich den Film ohnehin schon kannte, hat mich diese Szene recht berührt.
Es folgten viele weitere Kinobesuche, darunter „Die Reifeprüfung“ (Dustin Hoffmann), „Die Dinge des Lebens“ (Romy Schneider/Michel Piccoli), “Der Tod in Venedig“ (Visconti), „Chinatown“ (Jack Nicholson) u.v.a. Dann, im Herbst 1976, zog ich zu meiner Freundin nach Simmering. Die hatte eine Gasheizung und nun könnte ich auch im Winter daheim arbeiten. Meine Kinozeit war damit vorbei.
Unlängst hörte ich im Radio, dass es das „Admiral“ immer noch gibt. Mehr noch, ist es mittlerweile nach seiner wechselvollen Geschichte in der Wiener Szene zu einem Kult-Kino avanciert. Wie schön! Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich mich jetzt noch dort wohlfühlen kann. Denn „Hauptsache warm!“, das allein war‘s, was mir in meiner Studienzeit wichtig war.
© Klaus Schedler 2023-01-24