von Theresa
Italien. Ferragosto. Wir befinden uns am Punta Prosciutto, einem der schönsten Sandstrände, den dieses Land zu bieten hat. Hunderte Großfamilien scharen sich mit ihren Bambini um die eng gesteckten Sonnenschirme entlang des schmalen goldfarbenen Streifens, der das ruhige Meer säumt. Noch vergnügen sich ausgelassene Italiener im glasklaren Wasser, aus der Ferne erklingt Sarà perché ti amo. Wer das Paradies sucht, hat es hier gefunden.
Die orangerote Sonne wandert Richtung Horizont. Der Himmel ist tiefblau, doch in ein paar Minuten wird er in ein zartes violett getaucht sein und mit dem stillen Wasser verschmelzen. Bevor die Sonne im Westen untergeht, betritt der Mond bereits das Himmelszelt. Die perfekte Kulisse für ein großes Drama.
Während Verliebte ihre Picknickdecken ausbreiten und bei Kerzenschein auf ihr Glück anstoßen, starren die beiden stumm auf’s Meer. Es ist der zugespitzte Höhepunkt einer turbulenten Nacht:
Ein junges Pärchen kommt in Lecce an. Nachdem es sein Apartment im Keller eines alten Wehrturms bezogen hat, geht es in eine Bar und genehmigt sich einen Drink. Dieser Gin Tonic löst allerdings nicht wie erhofft die Unstimmigkeiten der letzten Tage. Wir sehen, wie die Diskussion immer heftiger wird. Sie gestikuliert wild, ihrer Mimik zufolge fühlt sie sich zunehmend unverstanden und blitzt ihn irgendwann nur noch wütend an. Ah, jetzt scheint er wohl endgültig einen wunden Punkt getroffen zu haben. Sie schleudert ihr Getränk zu Boden und stürmt davon. Er blickt ihr ungläubig nach, bis sie in einer der engen Gassen verschwunden ist.
Ohne groß nachzudenken, bahnt sie sich ihren Weg durch die unbekannte Altstadt. Sie ist wütend. Auf sich, auf ihn, auf Italien. Ihr wird bewusst, dass sie gerade im Begriff ist, im Absatz des Stiefels ihre Beziehung zu beenden und das macht ihr Angst. Gleichzeitig ist sie allerdings fest entschlossen, diesen Typen aus ihrem Leben zu verbannen, weil sie das Gefühl hat nicht mehr sie selbst zu sein.
Bereits am Weg zur Bar ist ihr dieser Innenhof aufgefallen. Sie hatte schon immer ein Faible für versteckte Plätze. Nachdem sie sich von einem Passanten eine Zigarette anzünden lässt, verschwindet sie im Eingang dieses Innenhofs. Auf den steinernen Stufen eines Hauseingangs lässt sie ihren Tränen freien Lauf. Soll er doch machen was er will!
Dass er, als er spät abends nach Hause kommt, eine schluchzende Frau vor seinem Eingangstor finden würde, damit hätte er an diesem Tag nicht mehr gerechnet. Sie ist groß, dunkelblond – eindeutig nicht von hier. Nachdem er herausgefunden hat, dass die Liebe wohl der Grund für dieses Drama sei, ist er schon fast wieder beruhigt. Wenn das nicht das Metier eines vero Italiano ist! Es liege keinenfalls an Italien, das müsse sie ihm glauben. Nur der Mann an ihrer Seite ist der falsche. Punto e basta!
© Theresa 2019-06-28