von CarolinaDiNapoli
Eine Sprache lernen, das kennen wir alle aus der Schule. Man lernt Grammatik, Vokabeln, Ausdrücke, ein bisschen Landeskunde und Literatur, dann spricht man sie. Oder?!
Hier war ich also, angekommen, im Land wo die Zitronen blühen. Unter anderem, um Italienisch zu lernen. Ich hatte 3 Jahre Italienisch in der Schule, ich hatte 2 Jahre lang Auffrischungskurse zu verschiedenen Themen an der Uni. Dann machte ich einen Einstufungstest für einen nächsten Sprachkurs (3 Wochen) in Bologna: Grammatik B2. Wunderbar, eine Frau kommt in den Raum: „Ciao, buongirno, come stai?“ Ich: “Ahm.” Pause. “Bene, grazie”. Pause. “E tu?” dauerte so lange, dass sie bereits nicht mehr im Raum ist. Danach 6 Monate in Bologna, später 2 Monate Sprachkurs in Rom, dann 1 Monat als WOOFerin im Lazio. Als ich jetzt in Tramonti ankomme, habe ich immer noch Schwierigkeiten beim freien Sprechen. 3 Jahre später sollte ich immer noch in Italien leben. Also, nächster Einstufungskurs: Endlich! Verständnis Hören und Lesen, C1 und C2. Aber jetzt dafür: Grammatik, A2.
Wieder 2 Jahre später, und ich drücke mich immer noch nicht so aus wie eine Italienerin. Bei neuen Themen fehlt es schnell. Auch in Konflikt-Situationen sage ich schnell was anderes als gewollt. Und wie vorsichtig (und unterlegen) muss ich hier im Dialog mit einem Muttersprachler sein. Mit den A-Levels bestellt man im Restaurant, mit den B-levels plant man den Urlaub und mit den C-Levels kauft man ein Haus.
Mein Lern-Typ lernt in jeder Situation neu. Ich kann nur sehr schwer bereits Gelerntes in neue Situationen übersetzen. Das macht anpassungsfähig, allerdings fange ich immer wieder von vorne an – in jedem Gespräch, jeder neuen Situation, mit jeder neuen Person.
Das „next Level“ hier ist dann eigentlich übrigens nicht Italienisch sondern Napolitanisch. Hier gilt es als eine eigene Sprache. Es ist anerkannt von Kampanien und inkludiert in der Liste der UNESCO der gefährdeten Sprachen innerhalb der Sprachen Süditaliens. Hier spricht man beides, allerdings ist Napolitanisch so weit verbreitet, dass es ohne auch schwer geht. Generell, je nach Situation und Gefühlsstand wird die Sprache gewechselt – je emotionaler, je dialekt-lastiger. Es dauerte 5 Jahre, aber ich verstehe es in der Zwischenzeit halbwegs. Kann ich es deshalb richtig einsetzen? Nein! Es entwischt mir jetzt in ungefragten Situationen.
Was macht eine Sprache aus? Wann beherrscht man sie? Und wo ist die Grenze zwischen fehlender Sprachkentniss, persönliche Individualität und österreichischer kultureller Prägung? Sprich, Wissen vs. Individualität vs. Kultur? Und dabei profitiere ich hier in Süditalien von Schulunterricht, gemeinsamer Geschichte und ausgeprägten Wirtschaftsbeziehungen.
Manchmal fragt mich jemand, ob ich Italienisch schon lange lerne. Ich sage dann, „Ja, schon, aber Italienisch zu lernen ist sowas wie mein Lebensprojekt.“
© CarolinaDiNapoli 2022-08-25