It´s the journey, that matters in the end…

Sabrina Grabowski

von Sabrina Grabowski

Story

Das Ende der Meseta kam näher. Da Alberto zufälligerweise aus dem Zentrum dieser riesigen Hochebene kommt, wanderten meine Gedanken immer wieder zu ihm. Wir schickten uns ständig kleine Botschaften. Irgendwann erreichte ich die schöne Stadt León und genoss ausgiebig ihre Vorzüge. Ich gab mich unglaublich gutem Essen hin, war shoppen und ließ im Spa-Bereich meines Hotels die Seele baumeln. Und als ich in der Sauna so vor mich hin schwitzte, traf ich eine Entscheidung. Mein Camino sollte in Santiago noch nicht zu Ende sein. Ich wollte mehr. Mit Alberto bis nach Porto laufen, ihn besser kennenlernen, herausfinden, was das mit uns ist und sein könnte – das wollte ich. Sein Weg sollte erst in Lissabon enden und so war das die perfekte Gelegenheit. Ich hatte beschlossen mutiger zu sein. Das mit ihm war etwas Großes. Ich fühlte so viel und realisierte zum ersten Mal, wie sehr ich das auch verdient hatte. Dass ich es wert bin, jemand so tolles an meiner Seite zu haben. Jemand, der mich wertschätzt und so gute verborgene Seiten in mir zum Vorschein bringt. Bea brauchte vor ein paar Tagen keine 2 Minuten, um mir anzusehen, dass ich total verliebt bin, als ich versuchte „neutral“ von Alberto zu erzählen. Wir sprachen auch von meiner Neurodermitis, die mich plagte, seitdem ich nach Berlin gezogen war. Sie meinte, dass mein Körper ein sehr gutes Gespür dafür hat, was mir nicht guttut. Ich müsse nur noch lernen, darauf zu hören. Damit wollte ich anfangen.

So schön León auch war, so schlimm war der Weg nach draußen. Der Regen war gar nicht so dramatisch und am Anfang ging es auch ganz gut. León ist eine Stadt mit Geschichte und es gab viel zu sehen. Aber die Betonlandschaft wollte einfach kein Ende nehmen. Der Regen wurde stärker, die Fußwege rutschiger, die Straßen immer befahrener. Es war laut, grau in grau und einfach nur schrecklich. Gar nicht der Camino, den ich kannte und so liebte. Nach León hat sich eine noch grauere Vorstadt eingereiht. Ich hatte die Schnauze richtig voll und war so mies drauf, wie seit Wochen nicht. „Scheiß Autos mit ihren lauten Motoren, müssen die immer so rasen und so nah an mir vorbeifahren?!“ Ich war richtig wütend! Meine Motivation war auf dem Tiefpunkt. Ich wusste, das einzige, was mich da rausholen konnte, war: NATUR. Und dann, nach fast 2 Stunden hat mich der Weg raus auf ein Feld geführt. Ich war so dankbar. Sofort konnte ich wieder durchatmen. Die Ruhe, der Untergrund, die frische Luft – innerhalb weniger Minuten war ich geerdet und zurück – bei mir.

Aber wieder in der Natur zu sein, brachte auch mit sich, dass es schwierig war, trockene Rastplätze zu finden.. Es regnete noch immer und ich hatte solchen Hunger. Und plötzlich, mitten aus dem Nichts, erschien eine Bushaltestelle mit Überdachung! Das kam mir wirklich vor, wie ein kleines Wunder an diesem Tag. Es war, als wären die Engel auf meiner Seite. Ich konnte förmlich sehen, wie sich der Himmel öffnete und ein Scheinwerfer hinunter zeigte. Und dann, auf den letzten 10 km, zeigte sich sogar noch die Sonne und ich glaube, ich habe die Strahlen in meinem Gesicht noch nie so genossen, wie an diesem Tag. Ich fühlte mich gewärmt und geborgen. Alles hatte sich zum Guten gewendet. Aus Regen wurde Sonne. Aus Lärm wurde Stille. Aus Wut wurde Dankbarkeit. Das ist der Camino.

© Sabrina Grabowski 2023-09-17

Genres
Reise